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Der Hochwald

Der Hochwald

Titel: Der Hochwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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älter, als achtzehn, den Augen nach jünger, als vierzehn Jahre. Vielleicht steht sie mitten.
    Die Aeltere ist noch nicht angezogen. Sie sitzt in einem weißen Nachtkleide auf einer Art von Ruhebett, auf dem sie viele Papiere und Pergamentrollen ausgebreitet hat, in denen sie herumsucht. Eine Fülle äußerst schwarzer Haare ist aufgelöst und schneidet in breitem niedergehendem Strome den faltenreichen Schnee des Nachtgewandes. Das Gesicht ist fein und geistreich, nur etwas blaß, daher die Augen desto dunkler daraus vorleuchten, da sie den Haaren entsprechend sind, tief schwarz, und fast noch größer, als die braunen der Schwester.
    Das Zimmer ist das Wohn- und Schlafgemach der Mädchen; denn in seiner Tiefe stehen die zwei aus Eichenholz geschnitzten Bettgestelle, jedes überwölbt mit einem seidenen Baldachin und umlegt mit blühenden Teppichen; - Sessel und Schemel stehen verschoben, als eben gebraucht und zum Theil bedeckt mit Stücken weißen Nachtzeuges. Die Betschemel stehen jeder in einer andern Fensterbrüstung, daß sich die betenden Schwestern nicht sehen können; denn die Andacht ist verschämt, wie die Liebe. Auf dem Putztische ist nur ein hoher schmaler Spiegel und echte Schmuckstücke. Es ist noch sehr früh am Morgen, wie die langen Schatten und die Silberblitze an den thaufeuchten Tannen draußen zeigen. Der Tag ist ganz heiter, die Alpenkrone liegt in den zwei Fenstern, wie in einem Rahmen, und ein glänzender Himmel spannt sich darüber weg.
    Die am Fenster stickt emsig fort, und sieht nur manchmal auf die Schwester. Diese hat mit einmal ihr Suchen eingestellt, und ihre Harfe ergriffen, aus der schon seit länger einzelne Töne wie träumend fallen, die nicht zusammenhängen, oder Inselspitzen einer untergesunkenen Melodie sind.
    Plötzlich sagte die jüngere: »Siehe, Clarissa, wenn du auch die Melodie verbergen willst, ich kenne doch das Lied, das du schon wieder singen möchtest. - «
    Die Angeredete, ohne zu antworten, sang mit leiser Stimme die zwei Verse:
    »Da lagen weiße Gebeine,
    Die gold'ne Kron' dabei.«
    Dann ließ sie ab vom Spiele, und ohne die Harfe wegzustellen, sah sie durch die Saiten in das unschuldige Angesicht der Schwester.
    Diese erwiederte mit den guten runden Augen den Blick, und sagte dann fast schüchtern: »ich weiß nicht, das Lied ist mir so unheimlich, es ahnt einen Unglückliches an - und der Inhalt ist so schauerlich - - auch weißt du ja, daß es der Vater nicht gern höret, daß du gerade dieses Lied singest - - «
    »Sieh, und dennoch hat es Einer gedichtet, der sehr sanft und gut war,« fiel die ältere Schwester ein.
    »So hätte er gleich lieber ein sanfteres und freundlicheres dichten können,« erwiederte die jüngere, »denn ein Lied muß gut und hold sein, daß man es liebet, und nicht fürchtet, wie dieses.« Clarissa sah bei diesen Worten mit einer so gütigen Zärtlichkeit auf die Schwester, fast wie eine Mutter, und sagte: »o du gutes Ding, du treuherziges, wie bist du noch gar so jung! - - - Jene Furcht, jenes Schauern ist ja eben der Abgrund unseres Gewissens, und versöhnt zuletzt zu gedoppelter Güte.«
    »Nein, nein,« antwortete die andere; »ich bin lieber gleich vom Anfange gut. Ein Lied muß bei mir lieb und hell sein, wie der heutige Tag, kein Wölkchen, so weit du schauen magst, lauter Blau und lauter Blau, das reinste und freundlichste Blau. Deine Melodieen sind jetzt immer wie Nebel und Wolken, oder gar wie Mondschein, der wohl auch schön ist, aber bei dem man sich fürchtet.«
    »O die vielgeliebten, schwebenden, webenden Wolken,« entgegnete Clarissa, »wie sie aufblühen in der Oede des Himmels, um die Berge glänzen und träumen, schimmernde Palläste bauen, massenweise sich sonnen, und Abends so liebroth entbrennen, wie schlafmüde Kinder! - - - O Johanna, liebes Mädchen, wie bist du noch dein eigner Himmel, tief und schön und kühl! Aber es werden in ihm Düfte emporsteigen, - der Mensch gibt ihnen den Mißnamen Leidenschaft - du wirst wähnen, sie seien wonnevoll erschienen, Engel wirst du sie heißen, die sich in der Bläue wiegen - aber gerade aus ihnen kommen dann die heißen Blitze, und die warmen Regen, deine Thränen - und doch auch wieder aus diesen Thränen baut sich jener Verheißungsbogen, der so schön schimmert und den man nie erreichen kann - - - der Mondschein ist dann hold und unsre Melodieen weich. - - Kind, es gibt Freuden auf der Welt, von einer Ueberschwenglichkeit, daß sie unser Herz zerbrechen könnten

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