Der Huf des Teufels (German Edition)
renoviert worden.
Shelly setzte sich wieder in den Wagen und fuhr in die Mitte des Hofes. Noch bevor Renter ihr das Haus zeigen konnte, holte sie Pancake aus dem Anhänger. Er sah sich sein neues Zuhause eindringlich an, hielt seine Nüstern in die leichte Brise und stellte seine Ohren zu jedem Geräusch, das er vernahm, auf.
»Wollen Sie ihn nicht anbinden? Der Stall ist noch nicht fertig, da kann er nicht rein.«
»Der haut nicht ab, keine Angst.«
Shelly stellte sich vor die Haustür. Über ihr, in einem waagerecht verlaufenden Holzbalken, waren zwei Namen geschnitzt. Robert und Ellen Kutscher. Shelly konnte es kaum fassen. Sie war so weit zurückgereist in ihrer Geschichte, ihren Wurzeln so nah, dass ihr die Tränen kamen.
»Sind das Ihre Urgroßeltern?«, fragte Renter hinter ihr. Sie nickte stumm und wischte sich die Augen. »Wollen wir reingehen?«
»Ja, bitte.«
»Sie haben die Schlüssel.«
»Ach so, ja.«
Shelly öffnete. Die Luft im Haus war abgestanden, aber nicht unangenehm. In der gesamten unteren Etage waren Eichendielen verlegt, die Wände weiß gestrichen. Shelly trat ein und erreichte über einen kleinen Garderobenbereich ein weitläufiges Wohn- und Esszimmer. Ganz links führte eine offene Treppe ins obere Stockwerk. Der Raum wurde durch den Eingang in einem Verhältnis von drei zu zwei geteilt. An die kleinere rechte Seite schloss sich die Küche an, sodass dieser Teil des Wohnraums als Esszimmer genutzt werden konnte. Die größere linke Seite besaß eine Terrassentür, die über eine Holzterrasse geradezu in den Garten führte.
»Ich hoffe, es gefällt Ihnen«, meinte Renter.
»Ja, tut es. Ich hatte schon Angst, dass ich es ganz schrecklich finden würde.«
»Ich auch«, gestand Renter. »Ich hab Ihnen einfach ein paar Glühbirnen in die Fassungen gedreht, sonst hätten Sie gar kein Licht gehabt.«
»Danke.« Shelly ging langsam durch ihr neues Heim und nahm alles in Augenschein. Renter stand noch im Flur und bemerkte nicht, wie Pancake seinen Kopf durch die Tür steckte. Das Pferd stupste ihn mit den Nüstern in den Rücken, und Renter erschrak dermaßen, dass er einen kurzen Aufschrei hören ließ. Shelly kam besorgt aus der Küche.
»Herr Renter, alles okay?«
»Ja, es ist nur Ihr Pferd …«
»Oh, hallo, Pancake, willst du auch mal gucken? Keine Angst, der tut nichts.«
* * *
Sara hatte zeitlich einen sehr guten Ritt gemacht, doch leider einmal am letzten Hindernis gerissen. Mit den vier Strafpunkten war sie unter die letzten sechs Reiter gekommen. Jetzt waren nur noch drei Pferde am Start. Picobello mit seinem Reiter Siersgaard trabte auf den Parcours. Er ging das Springen ähnlich schnell an wie Sara. Die Taktik war fast überall dieselbe. Man musste Aladdin über die Zeit schlagen. Keines der Pferde hatte eine solche Sprungkraft wie der Hengst von Hofstätter. Und so preschte Siersgaard mit seinem Fuchs über die Hindernisse. Doch das hohe Tempo wurde auch ihm zum Verhängnis. Beim Doppeloxer kamen Pferd und Reiter nicht hoch genug in den Sprung, und Picobello riss mit den Vorderläufen gleich zwei der rot-weißen Stangen. Ein Raunen ging durch das Publikum, und nach dem letzten Sprung und einer guten Zeit gab es einen aufmunternden Beifall.
Siersgaard nahm es mit Humor. Mit einem Lächeln und ein paar tüchtigen Klapsen auf Picobellos Hals verließ er den Parcours und machte den Weg für den vorletzten Springer frei.
Stolz und erhaben saß Berger auf seinem Schimmel The Boss. Aus dem Augenwinkel schielte er zu Lasse, der mit Leif im Einlauftunnel stand und ihm bestätigend zunickte. Berger drückte die Fersen in die Seiten seines Pferdes und ritt hinaus. Der älteste Teilnehmer im Feld wurde mit einem lauten Beifall empfangen. Aus den Lautsprechern ertönte blechern die Stimme des Turnieransagers. Berger lenkte The Boss im Schritt bis vor die Jury, hielt an, verneigte sich kurz und ritt an. Im leichten Galopp umrundete er den Parcours und sah sich die Hindernisse an. Es war totenstill in der Arena. Die Spannung war körperlich spürbar. Wenn einer die Chance besaß, Aladdin zu schlagen, war es dieses Pferd.
Schon beim ersten Sprung erkannte man, dass Berger das Springen langsam angehen würde. Das Publikum wurde nervös, weil er viel zu gemächlich dahinritt. Der Schimmel war konzentriert und ruhig. Anmutig sprang er über die Hindernisse, aber die Zeit würde nicht reichen, das war jedem klar. In der zweiten Hälfte verschärfte Berger das Tempo nach dem Sprung
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