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Der Hund kommt - Roman

Der Hund kommt - Roman

Titel: Der Hund kommt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Noestlinger
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da heulte die dritte Stimme so gottserbärmlich los, dass dem Hund mitleidsweh ums Herz wurde und er zu sich sprach: »Wer sagt denn, dass man nur Licht, Wasser und anderen Krempel entstören kann? Wer sagt denn, dass man nicht auch einen Familienkrach entstören kann?«
    Der Hund antwortete sich: »Niemand sagt das«, und er machte die Haustür auf und ging dem Geschrei und Geheule nach und kam in eine Küche. Viel Dreckgeschirr war in der Küche und ein Haufen Bügelwäsche und Schmutzwäsche und jede Menge Hunde. Ein Bernhardinermann, eine Doggenfrau, ein Mischlingskind und sechs Hundebabys. Der Bernhardiner saß beim Tisch und schrie. Die Doggin stand beim Herd und schrie. Das Mischlingskind hockte auf dem Boden und heulte. Die Babys krochen in einem Korb herum und greinten. Es stank fürchterlich in der Küche. Nach angebranntem Fleisch stank es und nach verkackten Windeln.
    Der Bernhardiner schrie: »Den Fraß kann ich nicht fressen!«
    Die Doggin schrie: »Es liegt am Fleisch, nicht an mir!«
    Der Bernhardiner schrie: »Ausreden hast du immer!«
    Die Doggin schrie: »Mach dir deinen Fraß doch selber!«
    Der Hund stieg über den Babykorb, nahm das heulende Mischlingskind auf den Arm und schaukelte es. Das Mischlingskind hörte zu heulen auf.
    Der Bernhardiner und die Doggin hörten zu schreien auf. »Wer sind denn Sie?«, fragten sie.
    »Ich möchte Ihren Krach entstören«, sagte der Hund. Er kitzelte das Mischlingskind am Bauch. »Lach doch, Süßer«, sagte er. »Deine Alten lassen sich nicht scheiden, die haben sich doch lieb.«
    Mauloffen hörten der Bernhardiner und die Doggin zu.
    »Sie haben’s im Moment nur ein bisschen schwer«, fuhr der Hund fort. »Sechs Babys sind keine leichte Sache. Ich kenne das. Wenn wir seinerzeit sechs Babys auf einmal hatten, hing der Haussegen auch manchmal schief.
    Der Hund setzte sich das Mischlingskind auf die Schultern und sagte zum Bernhardiner und zur Doggin: »Ihr beide macht jetzt einmal einen Spaziergang. Oder geht in eine Kneipe auf ein Bier. Ihr braucht Abwechslung.«
    »Aber ...«, sagte die Doggin.
    »Aber ...«, sagte der Bernhardiner.
    »Raus mit euch«, rief der Hund. Er machte die Küchentür auf und verbeugte sich. »Vor Einbruch der Dunkelheit kommt ja nicht wieder.«
    Der Bernhardiner und die Doggin zogen verdutzt ab. Der Hund öffnete das Fenster und ließ frische Luft herein, tat die Dreckwäsche in die Waschmaschine, spülte das Geschirr, gab den Babys Flaschen und wickelte sie, kehrte den Boden, erzählte dem Mischlingskind ein Märchen, kochte einen Topf Beuschelragout, wischte Staub, saugte die Teppiche, warf das angebrannte Fleisch in den Mistkübel und leerte den Mistkübel aus.
    Als es dunkel wurde und die Hundseltern heimkamen, schliefen die Babys in ihrem Korb, und das Mischlingskind lag im Bett und schaute ein Bilderbuch an, und die ganze Hundswohnung war blitzblank.
    »Sie sind der beste Entstörer der Welt«, sagte die Doggin.
    »Meine Frau hat, wie immer, Recht«, sagte der Bernhardiner.
    »Ist ja mein Job«, sagte der Hund und wieselte davon. Lob machte ihn immer verlegen.
    Von diesem Tag an spezialisierte sich der Hund auf Leuteprobleme. Er fand das spannender. Leute sind verschieden, sagte er sich. Aber ein Abfluss ist wie der andere. Zum Leute-Entstören braucht es mehr Phantasie. Arbeit, zu der man Phantasie braucht, ist lustiger! Gleich am nächsten Tag entstörte der Hund einen Kindergarten und brachte der Kindergartentante bei, wie man Kinder bei Laune hält. Das hatte er ja beim Bären gelernt.
    Am übernächsten Tag nahm er sich eines Wildschweins an, das im Bett lag und wegen einer verstauchten Pfote nicht aufstehen konnte und am Verhungern war. Der Hund brachte die rechte Nachbarin dazu, für das Wildschwein einzukaufen, und die linke Nachbarin überredete er, für das Wildschwein zu kochen. Und die jungen Hunde, die über dem Wildschwein wohnten, bat er, dem armen Schwein jeden Abend aus der Zeitung ein bisschen vorzulesen.
    Am dritten Tag kümmerte sich der Hund um eine junge Liebe zwischen einem Hahn und einer Henne, am vierten Tag um einen schulschwänzenden Esel, am fünften Tag um einen schielenden Kater, der Komplexe hatte. Am sechsten Tag besorgte er einer jungen Frau einen Job. Am siebenten Tag brachte er einen kleinen Bären heim, der ausgerissen war, weil er die Ferne liebte.
    Helfen konnte der Hund natürlich nicht immer. Er war ja kein Zauberer. Aber wo er nicht helfen konnte, konnte er doch

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