Der Hundeflüsterer - Thriller (German Edition)
allen Seiten filmte.
„Ich habe kein gutes Gefühl bei der ganzen Operation, David“, seufzte Schneider resigniert, doch David ignorierte Schneiders Pessimismus. Eine Frage beschäftigte ihn allerdings schon länger und jetzt war ein guter Zeitpunkt, um von Schneider eine ehrliche Antwort darauf zu erhalten.
„Schneider, was passiert, wenn es mir in Saint-Tropez nicht gelingt, diesen Saluki so zu trainieren, dass er sich von Gurbanguly führen lässt?“
Schneider legte den Kopf leicht schief und lächelte freudlos. „Dann wird dich Gurbanguly töten.“
9. Tanger, Marokko – Frachthafen Ville Blanc
Der Wind aus der Sahara hatte die Visionen des laufenden Hundes von den Sanddünen hinaus auf das Meer geweht und Machmud musste ihnen folgen. Deshalb hatte er auch in dem kleinen Hotel am Hafen seinen Burnus abgelegt, sich in einem Trödelladen in dem kleinen Souk Jeans und ein bedrucktes T-Shirt gekauft und noch andere Kleidungsstücke, die ein Europäer so mit sich führt. Mit geschlossenen Augen saß er jetzt auf einem Drehstuhl in einem Barbierladen mitten im Souk und spürte, wie das Rasiermesser seinen dichten schwarzen Bart mit einem kratzigen Geräusch wegscherte. Die kühle Luft, die von dem an der Decke kreisenden Ventilator umhergewirbelt wurde, war ungewohnt auf der nackten Haut seines Gesichts.
Später schritt Machmud die Uferpromenade entlang, hielt sein Gesicht oft in die grelle Sonne, um einen gleichmäßigen Teint zu erhalten. Aus der Gesäßtasche seiner Jeans fischte er den zerknitterten Zettel, den ihm der Dorfälteste aus der Oase mitgegeben hatte, und bemühte sich, die zitternde Schrift zu entziffern. Er setzte sich auf die Kaimauer und fuhr mit dem Finger Zeile für Zeile entlang, das Lesen fiel ihm immer noch schwer, aber es wurde von Tag zu Tag besser.
„Hassan aus der Oase El-Gera schickt mich zu dir, Bruder“, begrüßte er wenig später einen dicken Marokkaner mit dünnem Bart, der in einer Seitenstraße der Uferpromenade ein kleines Reisebüro führte. Der Marokkaner verzog keine Miene, sondern bot Machmud einen Platz auf dem wackeligen Sofa an. Während der Mann Tschai braute, erzählte Machmud von seiner Vision und auch davon, dass er in einem Internetcafé in Fes ein Foto des Tieres in einer Online-Zeitung gesehen hatte.
„Du brauchst zunächst einen gültigen Pass, Bruder. Sonst ist es sehr schwierig für dich, nach Frankreich zu gelangen. Hast du irgendwelche Papiere?“
Machmud verneinte und der Marokkaner klopfte mit seinen dicken, mit vielen Goldringen geschmückten Fingern auf die Schreibtischplatte. „Ich dachte mir schon, dass du als Abkömmling eines freiheitsliebenden Volkes keine Papiere besitzt. Grenzen und Ausweise sind eine Erfindung der Ungläubigen. Früher hatten wir das nicht nötig. Allah und Mohammed, sein Statthalter auf Erden, haben jedem gezeigt, wo sein angestammter Platz auf dieser Welt ist.“
Der Marokkaner strich sich wieder über den dünnen Bart und schob dann seinen Fez zurück. „Doch du hast eine Aufgabe zu erfüllen und ich bin gerne bereit, dir dabei behilflich zu sein, und will alles tun, was in meiner Macht steht. In zwei Tagen geht eine Fähre nach Sète in Südfrankreich. Dort wird dich ein Taxi erwarten. Mit dem fährst du über Montpellier nach Saint-Tropez. Sei unbesorgt. Allah sagt: Folge deiner Vision und du wirst dein Ziel erreichen.“
Machmud nickte bedächtig und kratzte sich sein glatt rasiertes Kinn. Allahs Mühlen mahlen langsam, aber stetig, dachte er und trank konzentriert seinen Tschai.
„Das Wichtigste aber ist ein französischer Pass und der richtige Name. In Sète wird dich dieser Mann erwarten.“ Der Marokkaner kramte in seiner Schreibtischlade und zog ein verknittertes Porträtfoto hervor. „Er wird dich mit seinem Taxi nach Saint-Tropez bringen.“
Der Marokkaner erhob sich hinter seinem Schreibtisch und blickte mit sorgenvoller Miene auf Machmud hinunter. „Weiß deine Mutter, was du vorhast?“
„Meine Mutter billigt es ausdrücklich: Es ist wie der Dschihad, der Heilige Krieg!“
„Wie recht du hast, Bruder! Wir befinden uns noch immer im Heiligen Krieg!“
10. Berlin, Savignyplatz – sichere Wohnung der „Abteilung“
War es tatsächlich möglich, dass der Anschlag in dem sicheren Haus in der Kantstraße David Steins Denken so weit beeinflusst hatte, dass alles, was in den zwei Jahren zuvor passiert war, plötzlich bedeutungslos geworden war? War es nur eine Sackgasse gewesen und jetzt war
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