Der Hundeflüsterer - Thriller (German Edition)
in der Tür auftauchte, die im starken Gegenlicht wie ein Schattenriss aussah und zielgerichtet auf ihn zusteuerte. David hob die rechte Hand und beschattete seine Augen, um etwas erkennen zu können. Es war Schneider.
„Bin mit einem Taxi ohne Klimaanlage vom Strand hierher gekommen!“, beschwerte er sich sofort und bestellte eine Flasche alkoholfreies Bier. Schneider war noch immer im typischen Beach-Club-Dresscode gekleidet: Segelschuhe, Leinenhose, besticktes marokkanisches Flattershirt und Leinenschal, alles natürlich in Weiß. Als das Bier kam, trank er die Flasche in einem Zug leer und bestellte die nächste.
„Du solltest bei dieser Hitze Tee trinken, Schneider. Dann schwitzt du nicht so!“ David schob ihm den Tee hin.
„Nein! Verschone mich mit deiner Guru-Askese. Damit kannst du vielleicht deine Freundin beeindrucken“, sagte er und öffnete mit einem Feuerzeug die nächste Bierflasche. Nach einem tiefen Schluck beugte er sich ruckartig vor, seine Miene verhärtete sich und seine grauen Augen wurden zu Eis.
Dann öffnete er seine Designumhängetasche und nahm ein zerkratztes Plastikfläschchen heraus, dessen Etikett bis auf den noch deutlich lesbaren Logoeindruck der Apotheke nur noch bruchstückhaft vorhanden war.
„Hier ist die Substanz!“
Dann kramte er in seiner Hosentasche herum und fischte einen zerknüllten Zettel hervor. „Das ist der Kreditkartenbeleg, du hast die Tropfen kurz vor der Hundeausstellung in Berlin gekauft.“ David verstaute das Fläschchen und den Kreditkartenbeleg in seinen Jeans.
„Woraus besteht diese Substanz?“
„Ich habe keine Ahnung, David. Das hat Marius Müller selbst mit seinen Laborratten ausgetüftelt. Es ist eine Flüssigkeit, die mit einer Plutoniumbasis auf Körperwärme reagiert. Wenn jemand die Tropfen testet, passiert nichts, dann sind es normale Augentropfen.“
Schneider erhob sich und legte einige Euroscheine auf den Tisch. „Robyn koordiniert unser nächstes Treffen. Wir sehen uns, David!“
Schneider stand auf, hob grüßend die Hand und blieb noch einige Sekunden vor einem vergilbten Poster stehen, der neben dem Eingang an die Wand der Bar gepinnt war. Es war die Vergrößerung eines Zeitungsartikels aus den sechziger Jahren und zeigte Brigitte Bardot, die gerade barfuß aus einem Auto stieg, das vor der Bar San Soucis stand. Dann trat Schneider hinaus in das grelle Licht des späten Nachmittags und seine roten Haare leuchteten in der Sonne.
David blieb noch einige Minuten in der Bar und überlegte, ob er Sonja anrufen sollte oder nicht. Langsam wurde ihm klar, dass Sonja seine einzige Verbindung zu jener Welt war, in der er noch vor einigen Wochen gelebt hatte. Um sich nicht gänzlich in dem konturlosen Schattenreich der Geheimdienste zu verlieren, durfte er diese Verbindung nicht kappen. Deshalb wählte er auch jetzt ihre Nummer.
„Was macht Sancho, unser Potenco?“, fragte er sofort, als sich Sonja meldete.
„Es geht ihm gut! Schließlich singe ich ihm jeden Abend ein Schlaflied vor“, antwortete Sonja. „Nett, dass du dir so viele Sorgen um den Hund machst. An mich denkst du wohl überhaupt nicht?“, fragte sie spitz.
„Natürlich denke ich an dich!“ Jetzt bereute es David fast, bei Sonja angerufen zu haben, denn das Gespräch verlief alles andere als harmonisch. „Hätte ich dich sonst angerufen?“
„Du wolltest doch nur wissen, wie sich Sancho fühlt!“ Sonja holte tief Luft, so als wollte sie noch etwas sagen, doch dann schwieg sie.
„Wenn ich zurück bin, dann schließt du dein Lokal für zwei Wochen und wir machen eine Reise in deine Heimat Norwegen. Was hältst du davon?“ Die Idee war David ganz spontan gekommen und die Vorstellung, mit Sonja durch Norwegen zu wandern, begeisterte ihn.
„Nach Norwegen? Bist du verrückt? Was soll ich dort oben, da ist es ja viel zu kalt.“ David bemerkte die Panik in Sonjas Stimme und seine Begeisterung erlosch.
„War nur so eine spontane Idee! Du hättest mir zeigen können, wo du geboren bist, wo deine Heimat ist, wo deine Wurzeln sind.“
„Meine Wurzeln?“ Sonja lachte ungläubig. „Wovon redest du? So kenne ich dich gar nicht. Meine Wurzeln habe ich hier in Arta gefunden. Das ist mein Lokal und das bist vielleicht auch noch du. Obwohl du anscheinend in Berlin ständig mit irgendwelchen jungen Models umherziehst.“
„Ich muss zurück ins Studio, Sonja“, würgte David das Gespräch ab. „Ich melde mich wieder bei dir!“
Nachdenklich verließ David
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