Der Hundeflüsterer - Thriller (German Edition)
nicht vorgesehen“, sagte der Mann leise, aber mit Nachdruck. „Die Aufgabenstellung für Sie ist also noch immer dieselbe: David Stein muss sterben, damit Gurbanguly am Leben bleibt. So will es mein Auftraggeber!“
„Ich bin gerade dabei, einen Plan zu entwickeln, um die Mission in den nächsten Tagen zum Abschluss zu bringen“, antwortete Leyla, presste die Wange an die kalte Alutür und schob jetzt jeden Gedanken an Gegenwehr weit von sich, denn der Mann wollte sie offenbar nicht töten, im Gegenteil, er wollte, dass sie ihren Auftrag erledigte. „Ich will ihn außerhalb der Villa erwischen. Eine schnelle, saubere Aktion.“
Der Druck der Kühlschranktür auf ihrem Handgelenk ließ plötzlich ein wenig nach.
„Klingt gut und ich kann Ihnen da sogar ein wenig behilflich sein: Morgen fahren alle Bewohner der Villa in den Nikki Beach Club. Dort finden Sie sicher eine günstige Gelegenheit, um Ihre Mission erfolgreich abzuschließen.“
Dann ließ der Mann plötzlich die Tür des Kühlschranks los und noch ehe sich Leyla umgedreht hatte, war er auch schon durch die Hintertür hinaus auf die Straße gelaufen und im Gewühl der Touristen untergetaucht.
Bebend vor Wut presste Leyla die Stirn gegen die kühle Aluoberfläche des Kühlschrankes und massierte ihre schmerzende Hand. Sie war so unvorsichtig gewesen. Der Mann hatte sie wie eine Anfängerin überrumpelt. Diese Nachlässigkeit durfte ihr bei Stein nicht passieren, sonst war der Erfolg der Mission in Gefahr und natürlich auch ihr eigenes Leben.
In Leylas Kopf rotierten die Gedanken, während sie gierig die Flasche Mineralwasser leertrank. Ihre Auftraggeber wurden nervös und unzufrieden, das hatte sie schon öfters erlebt, aber deshalb durfte sie sich nicht unter Druck setzen lassen. Sie wusste aus Erfahrung, dass sowohl Intuition als auch Präzision unter extremem Stress litten und dass ihr dann Fehler unterlaufen würden. Noch war die Mission in der Vorbereitungsphase, aber sie hatte für die perfekte Umsetzung nur sehr wenig Zeit!
„Haben Sie alles zu Ihrer Zufriedenheit, ma chère?“, rief der Concierge, als Leyla mit ihrer Wasserflasche aus der Küche kam.
„Danke, es ist alles in Ordnung!“ Leyla ging mit ihrer Flasche zurück in die Lobby und blätterte gedankenverloren in einer Broschüre über Saint-Tropez, die noch immer mit einem 60er-Jahre-Foto von Brigitte Bardot auf der Titelseite warb. Als sie die Broschüre zurück auf den Tresen legte und zur Treppe ging, bemerkte sie, dass sie der Mann mit der Berbertasche von seinem Clubsessel aus intensiv musterte. Sie ignorierte jedoch seine Blicke und stieg wieder die Treppe nach oben in ihr Zimmer.
*
Machmud ahnte, dass die Frau keine richtige Deutsche war. Sie hatte zwar blonde Haare und blaue Augen, aber der Schnitt ihres Gesichts, die Nase, der braune Teint, der angeboren war und nicht von der Sonne stammte, sagten ihm, dass sie arabisches oder indisches Blut in den Adern haben musste. Er hatte keine Ahnung, warum sie sich als Deutsche ausgab, aber sicher gab es einen Grund dafür. Auch der heftige Wortwechsel, den sie mit dem Unbekannten in der Küche geführt hatte, interessierte ihn nicht. Allah hatte ihm ein Ziel gegeben und davon durfte er sich nicht abbringen lassen. Er legte den Kopf auf die Lehne des weichen Clubsessels, schloss die Augen, verlangsamte seinen Atem, um sich in Gleichklang mit Wind und Wüste zu bringen und wieder eine Vision hervorzurufen.
Doch diesmal war es eine düstere Offenbarung, die sich vor ihm auftat. Nicht mehr das weiße Tier, das leicht wie der Sandsturm über die Dünen streifte oder auf den Wellen des Meeres tanzte, leicht wie eine Feder. Diesmal war die Vision gespenstisch wie die dunkle Vorstufe zur Hölle und der weiße Hund rannte mit getrübtem Blick vor Gitterstäben auf und ab, mit gefletschten Zähnen, eingesperrt und seiner Freiheit beraubt. Diese Vision versank im Wüstensand und zurück blieb ein schwarzer Himmel mit dem sichelförmigen Mond, der an eine Klinge erinnerte.
Machmud schnellte aus seinem Stuhl, rannte durch die düstere Lobby, trat nach draußen in das grelle Sonnenlicht und lief die Straße entlang, die in das Zentrum von Saint-Tropez führte. Bevor er jedoch den Yachthafen und die Cafés erreichte, bog er nach rechts in eine schmale, ansteigende Gasse, lief im Schatten der Häuser den Hügel nach oben, erreichte schließlich einen kleinen Platz, der nicht so von Touristen bevölkert war wie viele andere Plätze des
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