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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Nachbarinsel Formentera. Als der Leuchtturm von La Sabina in Sicht kam, wurde ich ganz aufmerksam, ja regelrecht nervös.
    Da war die vorgelagerte Insel Espalmador, wo viele Segeljachten ankerten; da waren wie ein heller Strich die Sandstrände von Ses Illetes, mit Dünen, Büschen, vereinzelten Palmen und der ehemaligen Salzmühle auf nacktem Felsbuckel. Das alles nahm ich nur nebenbei wahr, denn jetzt bog die Fähre um die Kaimauer und gab den Blick auf den neuen Sporthafen frei. Salms Jacht lag noch an der Mole.

53.
     
     
     
    Es war Zeit, Judith ein paar Anweisungen zu geben. Sie hörte zu wie eine Schuhverkäuferin einem Kunden zuhört, der allen Ernstes Siebenmeilenstiefel verlangt.
    »Und danach?« fragte sie spöttisch.
    »Ferien, lange Ferien.«
    Sie hob ihre Mundwinkel. Vielleicht war es ja ein sparsames Lächeln.
    Ich zog eine wasserdichte Weste an, hängte mir einen Leinenbeutel über die Schulter und schlenderte los, während der Wind an meinen Hosen zerrte. Nach außen gab ich mich locker, doch mein Magen hatte sich zu einem Fallreepsknoten zusammengezogen.
    Nun kam es drauf an.
    Ich sah mir die Gesichter auf den Jachten an. Bootsleute sind es gewohnt, begafft zu werden; es ist Teil des Reizes, eine Jacht zu besitzen. Einige schrubbten das Deck, andere polierten die Schiffsglocke oder warteten mit einem Drink in der Hand auf das Abflauen des Sturms. Es war niemand unter ihnen, den ich schon einmal gesehen hatte.
    Am Ende der Kaimauer kehrte ich um und blieb vor Salms Jacht stehen. Die Tür zur Kajüte stand offen. Drinnen pfiff jemand, was unter Seglern verpönt ist. Denn die abergläubische Gemeinde der Segler, als einzige immer noch abhängig vom Wettergott, nimmt an, daß Pfeifen die Windgeister herausfordert.
    Ein Kopf erschien im dunklen Fleck des Eingangs. Salm stieg den Niedergang hoch. Das Pfeifen hörte auf, der Mund blieb gespitzt.
    Salm schaute mich entgeistert an, es dauerte und dauerte. »Mensch, Schlömm!« brachte er schließlich heraus.
    »Darf ich an Bord kommen?«
    Während er in der Pantry für uns Kaffeewasser erhitzte, sah ich mir das Boot genauer an. Es war in einem erstklassigen Zustand, besser als neu, wie Seebären gern sagen, wenn sie die Standardausrüstung ihres Schiffes nach den ersten Törns mit Sonderteilen komplettiert haben. Der Rumpf war aus glasfaserverstärktem Kunststoff, das Deck aus Teakholz und der Innenausbau, so weit ich das sehen konnte, aus Mahagoni.
    Ich hörte Salm im Vorschiff rumoren, Schapps wurden geöffnet und geschlossen, dann kam er an Deck, mit einem Tablett, auf dem Campinggeschirr und ein Glas Pulverkaffee standen. Er bewegte sich selbstsicher und ohne Hast. Zu abgeschnittenen Jeans trug er einen schwarzen Pulli und eine Wollmütze. Sein Bart an Kinn und Wangen war drei Tage alt.
    Nach dem ersten Schluck sagte er: »Wie bist du drauf gekommen?«
    »Daß du noch lebst? Nun, das war so ein Gefühl. Der Scheck war zwar für mich, aber der Abschiedsbrief konnte auch als falsche Fährte für andere gedacht sein. Ist man erst einmal so weit, fallen einem auch andere Dinge auf. Das Schachproblem beispielsweise, mit dem du dich beschäftigt hattest, das Foto von der Jacht.«
    Er lächelte. »Ja, das Bild hätte ich von der Wand nehmen sollen. Aber dann wäre meinen Verfolgern vielleicht aufgefallen, das da was fehlt.«
    »Was hast du denn so vor? Untertauchen?«
    »Huch, großes Wort. Ich mußte mal raus. Du glaubst mir vielleicht nicht, aber ich stand wirklich kurz vor dem Durchdrehen, und da dachte ich, ob ich’s jetzt einfach riskiere oder gleich aus dem Hotelfenster springe.« Er warf einen kurzen Blick auf die Flagge an der Mastspitze. »Der Wind läßt nach. Etwas später, und du hättest mich nicht mehr angetroffen. Wollte einen kleinen Törn nach Ibiza machen. Und du?«
    »Ich dachte daran, einen Katamaran zu mieten. Zu einer eigenen Jacht hat’s bei mir bis jetzt nicht gelangt.«
    »Bist du allein gekommen?«
    Ich nickte.
    »Na, dann komm doch mit!«
    Ich nickte noch einmal, diesmal ganz bewußt ein wenig nachdenklicher. Er sollte nicht wissen, daß ich mit seinem Angebot gerechnet hatte.
    Als wir ablegten, griff der Nordwest noch kräftig ins Tuch, aber er hatte seine Kraft verloren. Im Mittelmeer ändert sich das Wetter von einer Stunde zur anderen. Mit gerefftem Großsegel und Sturmfock liefen wir sechs Knoten. Salm stand breitbeinig in der Plicht, Kippe lässig im Mundwinkel, drehte das Steuerrad und gab Befehle: »He, Schlömm, hol die

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