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Der Hundeknochen

Der Hundeknochen

Titel: Der Hundeknochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Ähnliches, nur intensiver, hatte ich auf nächtlichen Bootsfahrten erlebt. Bei solchen Gelegenheiten merkt man, wie wichtig es ist, daß man den anderen gut riechen kann und ihm gern zuhört.
    Und weil wir so schön vertraut miteinander waren, erzählte ich Judith von meinem Plan, jedenfalls in groben Zügen. Aber Einzelheiten wußte ich ja selbst noch nicht.
    Sie war auch gar nicht sonderlich interessiert, fragte nur: »Wird es gefährlich?« Dabei sah sie mich mit diesem gleichermaßen klarsichtigen wie abwesenden Blick an, wie ihn Engel auf alten Gemälden und manchmal auch kurzsichtige Frauen haben.
    Ich zuckte die Schultern. »Du bist mein Schutzengel.«
    »Glaubst du das wirklich?« Sie lachte. »Du müßtest mal mit meinen Eltern oder mit meinem älteren Bruder reden, die halten mich für ziemlich durchtrieben, verantwortungslos, unberechenbar und…«
    »Noch was?«
    »Das kann ich dir nur ins Ohr sagen.«
    Sie rückte näher, flüsterte, und wäre die Zeit nicht so knapp gewesen, ich hätte auf der Stelle gebremst und sie an mich gepreßt.
    Ich fuhr weiter und erzählte aus meinem Lebenslauf. Von der Werkwohnung in Huckingen gegenüber Mannesmann Tor 1, wo mein Vater Rangierer war, von den Spielen in den Schlackenbergen und wie wir am Rhein die Schlepper angeschwommen sind, um uns danach flußabwärts treiben zu lassen.
    »Mit fünf begann ich zu stottern, wie es viele Kinder in dem Alter vorübergehend tun; bei mir blieb es, nicht stark, aber genug, um gehänselt zu werden. Was mir an Sprachgewandtheit fehlte, machte ich später mit den Fäusten wett. Nee, nichts gegen meine Herkunft, ich glaube, sie hat mich später, nach Versuchen in anderen Berufen, zu einem recht guten Polizisten gemacht.«
    »Du ein Bulle?«
    Daß sie vor Bewunderung den Atem anhielt, konnte ich wirklich nicht feststellen.
    »Hm. Doch das Polizistendasein bietet so manche Möglichkeit des Scheiterns. Man kann vor Langeweile umkommen, in Routine ersticken oder korrupt werden. Natürlich kann man auch durch die Kugel eines Verbrechers ausgelöscht werden, doch das ist eher unwahrscheinlich. Bei mir war es so, daß ich im Dienst einen Menschen erschossen habe. Notwehr, aber ich hatte Alkohol getrunken. Während ich in der Folgezeit auf das Disziplinarverfahren wartete, wurde ich im Dienst so feige, vorsichtig und ängstlich, daß ich fast soweit war, den Übeltätern, die ich festnehmen mußte, Einladungskarten zu schreiben. Das Verfahren gegen mich ging positiv aus, doch ich nahm es als Anlaß zu kündigen. Gleichzeitig machte ich mit meiner verkorksten Ehe Schluß; es war ein Aufwasch. Danach saß ich allein in meiner Wohnung, hörte alte Rockmusik oder schlich betrübt durch Duisburgs Straßen. Und dann kam der Tag, an dem ich die restlichen Flaschen in den Ausguß kippte und eine Anzeige formulierte: ›Ich nehme Ihnen Sorgen ab!‹«
    »Nur die S-s-sorgen?« fragte Judith.
    »Nein, das G-g-geld auch«, sagte ich.
    Wir lachten wie die Bescheuerten.
    Erzählen und Lachen, so vergingen die Stunden. Als der Morgen graute, sah ich das Mittelmeer, und ein großes Vertrauen in die Zukunft erfaßte mich. Alles würde gut werden.
    Wir passierten Städte und Dörfer und nahmen uns vor, sie auf dem Rückweg in aller Ruhe zu besichtigen. Judith wollte sich die Kirchen ansehen; ich würde unterdessen nach guten Restaurants und Hotels mit weichen Betten Ausschau halten.
    Später sahen wir die ersten Möwen und konnten das Meer nun auch riechen. Barcelona lag hinter uns. Tarragona, Tortosa, Castellon de la Plana; Valencia umfuhren wir, weil das Schiff, das von dort aus Ibiza ansteuerte, nach meinem Zeitplan bereits weg war. Also weiter über Gandia nach Denia.
    Die Fähre, die uns nach Formentera bringen sollte, stand noch mit aufgeklapptem Heck an der Mole. Wir fuhren direkt an Deck, und nur wenige Minuten darauf heulte die Schiffssirene.
    Das war knapp gewesen.
    Wir lehnten uns an die Reling und blickten aufs stahlblaue Wasser und auf die weißen Schaumkronen der Wellen. Der Wind blies aus Nordwest mit gut sieben Windstärken. Wenn er nachließ, hätten wir bestes Segelwetter. Das machte mich wieder etwas unruhig.
    Dennoch, kaum hatten wir uns in die Deckstühle gesetzt, schliefen wir ein. Rund zwanzig Stunden waren wir unterwegs gewesen.
    Wir wachten erst wieder auf, als die Fähre den Hafen von San Antonio im Westen der Insel Ibiza ansteuerte. Ein Teil der Passagiere verließ das Schiff, wir blieben und genossen die kurze Weiterfahrt zur

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