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Der Hypnosearzt

Der Hypnosearzt

Titel: Der Hypnosearzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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öffnete die Tür zur Küche.
    Auf der Kommode stand der Wecker und tickte wie immer: laut, hart und irgendwie unerbittlich.
    Auf der Wachstuchdecke des Tisches lagen in einer Schale drei Bananen. Und hinter den Leisten der Küchenvitrine, da steckten viele Postkarten, darunter auch die, die Stefan ihr im vergangenen Jahr aus Ibiza geschickt hatte: weiße Häuser, ein blauer Himmel, blaues Meer und rundherum rote Felsen.
    Dann sah er noch etwas.
    Er hatte sich gerade den alten Korbsessel näher an den Tisch gezogen, doch jetzt stand er wieder auf und ging zur Kommode.
    Die weiß-blaue Packung neben dem Wecker?
    Den Namen brauchte er erst gar nicht zu lesen, er hatte das Medikament sofort an der Farbe der Packung erkannt: Dipidolor, ein Opioid, eines der stärksten Analgetika, ein Schmerzmittel, nein, eine Bombe!
    »Woher hast du das, Rosi?«
    Sie verzog das Gesicht, als wäre sie ertappt worden: »Na, woher schon!«
    Er setzte sich auf den Korbstuhl und nahm ihre Hände. Kalt waren sie und feucht und so merkwürdig leicht. Sie sah ihn an. Über ihren Augen lag ein wäßriger grauer Schleier.
    »Was ist los?« fragte Stefan.
    Ihre Unterlippe begann zu zittern. Sie gab keine Antwort.
    »Bitte, Rosi.«
    »Die Schmerzen, Steffen. Es sind die Schmerzen.«
    »Und die Tabletten hast du von Dr. Krüger?«
    Sie nickte.
    »Wo hast du die Schmerzen? Was ist es denn, woran du leidest?«
    Er brachte es auch jetzt noch fertig, gelassen und ruhig zu reden.
    »Im Rücken. Meistens.« Sie flüsterte, als handle es sich um ein Geheimnis.
    »Was heißt denn meistens.«
    »Hier auch.«
    Sie deutete auf ihren Bauch oder auf das, was unter dem Morgenmantel davon übriggeblieben sein mochte.
    »Rosi, sag mir, warum hast du mich nie angerufen und mir erzählt, daß es dir schlechtgeht?«
    »Du hast doch soviel zu tun, Steffen. Und die Christa auch. Vor allem die Christa … Ich kann euch doch mit meinem Kram nicht auch noch kommen.«
    Er schluckte. Er brachte keinen Ton heraus. Er hörte ihren Atem, er klang leicht, oberflächlich, sehr schnell.
    »Rosi, du mußt ins Bett. Komm, ich helf dir.«
    Sie sah ihn immer nur an, und ihm war klar, sie sah nicht ihn, wie er jetzt war. Den Jungen sah sie, ›ihren Steffen‹, den Jungen mit den verschwitzten Haaren und den ewig aufgeschlagenen Knien. Den Jungen, dem sie Krautwickel kochen mußte, weil er die doch so mochte, dem sie im Schuppen eine Arbeitsecke einrichtete, damit er dort ungestört ›studieren‹ konnte, dessen Wunden sie verband, dessen Fieber sie maß, bei dem sie am Bett saß, wenn er nicht einschlafen konnte, und ihm Geschichten erzählte. Den Jungen, den sie verprügeln mußte, als er aus der blauen Kaffeetasse, die noch immer dort oben auf dem Büfett stand, die letzten fünfzig Mark klaute, um sich bei ›Sport-Schomberg‹ ein Paar Fußballstiefel zu kaufen.
    »Die Treppe brauch ich nich' mehr«, hörte er Rosi sagen. »Ich lieg nicht mehr oben im Schlafzimmer. Die Berta hat mir das Bett unten auf dem Kanapee gemacht.«
    »Du mußt dich hinlegen.«
    Er half ihr beim Aufstehen, führte sie ins Wohnzimmer, bettete sie, so gut er konnte, aufs Kanapee und sah auf sie herab.
    »Rosi …« Er räusperte sich. »Ich bin gleich wieder da. Muß nur ganz dringend was zur Post bringen. Einen Brief. Den habe ich von zu Hause mitgenommen und einzuwerfen vergessen.«
    Sie gab keine Antwort, und er ertrug ihren Blick nicht länger …
    Auch in Oberhausen hatten sie sich zu Gemeinschaftspraxen zusammengetan, nannten sie ›Ärztezentrum‹ oder sogar ›Gesundheitswerkstatt‹. Bei Oskar Krüger jedoch hatte sich nichts geändert. Er wohnte noch immer in dem alten torfbraunen Haus, in dem sein Vater eine Kistenfabrik betrieben hatte, arbeitete noch immer mit einer uralten, verdrossenen Schachtel von Sprechstundenhilfe, die er meist anraunzte. Die Leute kamen noch immer durch das Portal, durch das einst die Kisten aus der Werkstatt auf die Straße gekarrt worden waren, nur daß die grüne Farbe daran nun gänzlich abgeblättert war und das Praxisschild Dr. Oskar Krüger, alle Kassen noch mehr blinde Flecken bekommen hatte.
    Krüger hatte Stefan Bergmann sofort an dem überfüllten Wartezimmer vorbei in sein Sprechzimmer geholt. Nun blickte er ihn an, aus zwei rauchgrauen Augen, unter denen schwere Tränensäcke hingen.
    »Du kommst wegen ihr, was?«
    »Ja.«
    »Lange ist's her, was Steffen?«
    Bergmann nickte.
    »Und dabei müßte ich mich doch freuen, wenn ich dich mal sehe.«
    Stefan nickte

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