Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Vom Netzwerk:
Wachstuch mit einem Leinentuch, und vier offene
Flaschen mit Schdanowscher Flüssigkeit habe ich danebengestellt; die
stehen jetzt noch da.«
    »Das hast du gerade so gemacht wie ... wie der in Moskau?«
    »Weil man es riechen wird, Bruder. Aber wie sie daliegt ... Am
Morgen, wenn es hell wird, dann sieh sie dir an! Was ist mir dir? Du
kannst ja gar nicht aufstehen?« fragte Rogoschin erstaunt und
ängstlich, als er sah, daß der Fürst so zitterte, daß er nicht imstande
war, sich zu erheben.
    »Die Beine sind mir schwach«, murmelte der Fürst. »Das kommt von der
Angst; ich kenne das ... Wenn die Angst vorübergeht, dann werde ich
auch wieder stehen können ...«
    »Warte noch; ich werde unterdes das Lager für uns zurechtmachen;
dann kannst du dich hinlegen ... und ich werde mich zu dir legen ...
und dann wollen wir hören ... denn ich weiß noch nicht ... ich weiß
jetzt noch nicht alles; das sage ich dir im voraus, damit du alles
darüber im voraus weißt ...«
    Während Rogoschin diese unklaren Worte murmelte, begann er, die
Lagerstatt herzurichten. Offenbar hatte er sich eine solche schon
vorher im stillen ausgedacht, vielleicht schon am Morgen. In der
vorhergehenden Nacht hatte er selbst auf dem Sofa gelegen. Aber zwei
Personen nebeneinander konnten auf dem Sofa nicht liegen; und er wollte
jetzt durchaus zwei Lager nebeneinander herstellen; deshalb schleppte
er jetzt mit großer Anstrengung von den beiden Sofas allerlei
verschieden große Kissen durch das ganze Zimmer bis dicht an den einen
Eingang des Vorhangs. Nun hatte er eine leidliche Lagerstatt
zurechtgemacht; er trat zum Fürsten, faßte ihn zärtlich und behutsam
unter den Arm, hob ihn auf und führte ihn zu dem Lager; indes stellte
sich heraus, daß der Fürst auch allein gehen konnte; denn »die Angst
war vorübergegangen«; aber er zitterte doch noch immer.
    »Weißt du, Bruder«, begann Rogoschin auf einmal, nachdem er den
Fürsten sich auf das linke, bessere Lager hatte legen lassen und sich
selbst, ohne die Kleider abzulegen, rechts von ihm hingestreckt und
beide Hände hinter den Kopf gelegt hatte, »es ist heute heiß, und da
wird es natürlich riechen ... Die Fenster zu öffnen, fürchte ich mich;
aber meine Mutter hat Töpfe mit Blumen, viele Blumen, und die duften
sehr schön; ich habe daran gedacht, sie herüberzuholen; aber die alte
Pafnutjewna würde etwas merken; denn sie ist sehr neugierig.«
    »Ja, das ist sie«, bestätigte der Fürst.
    »Soll ich vielleicht Bukette und Blumen kaufen und sie ganz damit
bedecken? Aber ich glaube, sie würde mir gar zu leid tun, wenn sie so
unter den Blumen daläge!«
    »Hör mal ...«, begann der Fürst, wie wenn er verwirrt wäre und
überlegte, wonach er eigentlich fragen wollte, und es immer gleich
wieder vergäße. »Hör mal, sage mir doch: womit hast du sie getötet? Mit
einem Messer? Mit eben jenem Messer?«
    »Ja, mit eben jenem ...«
    »Warte noch! Ich will dich noch etwas fragen, Parfen ... ich werde
dich noch nach vielem fragen, nach allem ... aber sage mir lieber
zuerst, zuallererst, damit ich das weiß: wolltest du sie vor meiner
Hochzeit töten, vor der Trauung, an der Kirchentür, mit dem Messer?
Wolltest du das oder nicht?«
    »Ich weiß nicht, ob ich es wollte oder nicht ...«, antwortete
Rogoschin trocken, wie wenn er sogar über die Frage einigermaßen
verwundert wäre und sie nicht verstände.
    »Hast du das Messer niemals nach Pawlowsk mitgenommen?«
    »Nein, niemals. Ich kann dir über dieses Messer nur soviel sagen,
Ljow Nikolajewitsch«, fügte er nach kurzem Schweigen hinzu: »Ich habe
es heute früh aus einem verschlossenen Schubkasten herausgenommen; denn
die ganze Sache geschah heute morgen zwischen drei und vier Uhr. Es hat
bei mir immer in einem Buch gelegen ... Und ... und ... und da ist noch
etwas, was mir wunderbar vorkommt: das Messer ist sieben oder sogar
neun Zentimeter tief eingedrungen ... dicht unter der linken Brust ...
aber Blut ist nur so etwa ein halber Eßlöffel voll auf das Hemd
herausgelaufen, nicht mehr ...«
    »Das, das, das«, stammelte der Fürst und richtete sich in
furchtbarer Erregung auf, »das, das kenne ich; das habe ich gelesen ...
das nennt man innere Verblutung ... Es kommt vor, daß kein einziger
Tropfen herausfließt. Das ist so, wenn der Stoß gerade ins Herz
gegangen ist ...«
    »Halt, hörst du?« unterbrach ihn auf einmal Rogoschin hastig und setzte sich erschrocken auf dem Lager aufrecht. »Hörst du?«
    »Nein!« erwiderte ebenso

Weitere Kostenlose Bücher