Der Idiot
geringsten Wert legte, so daß ein besonders Lachlustiger bei einem aufmerksamen Blick auf den Fürsten vielleicht Anlaß genommen hätte zu lächeln. Aber was kommt den Leuten nicht alles lächerlich vor.
Der Fürst nahm eine Droschke und fuhr nach den Peski 1 . In einer der Straßen der Roschdestwenskaja fand er bald ein kleines Holzhäuschen. Zu seiner Verwunderung präsentierte sich dieses Häuschen äußerlich recht hübsch: es war sauber, gut in Ordnung gehalten und mit einem Vorgarten versehen, in welchem Blumen wuchsen. Die Fenster nach der Straße zu waren geöffnet, und aus ihnen wurde ein lautes, unaufhörliches Sprechen vernehmbar, ja fast ein Schreien, wie wenn jemand laut läse oder eine Rede hielte; ab und zu wurde diese Stimme durch das Lachen mehrerer anderer heller Stimmen unterbrochen. Der Fürst ging auf den Hof hinein, stieg ein paar Stufen hinan und fragte nach Herrn Lebedjew.
»Da ist er«, antwortete die Köchin, die die Tür geöffnet hatte. Sie hatte die Ärmel bis zum Ellbogen aufgestreift und wies mit dem Finger nach dem »Salon«.
In diesem Salon, der dunkelblau tapeziert war, und dessen sauberes Mobiliar einigen Anspruch auf Eleganz erhob (es befanden sich dort ein runder Tisch, ein Sofa, eine Bronzeuhr unter einem Glassturz, ein schmaler Spiegel am Fensterpfeiler und ein sehr altertümlicher kleiner Kronleuchter mit Glasprismen, der an einer bronzenen Kette von der Decke herabhing), mitten in diesem Zimmer stand Herr Lebedjew in eigener Person, mit dem Rücken nach dem eintretenden Fürsten zu, sommerlich gekleidet, ohne Rock, in bloßer Weste, und hielt, sich gegen die Brust schlagend, eine affektvolle Rede über irgendein Thema. Seine Zuhörer waren: ein fünfzehnjähriger Knabe, der ein recht lustiges, kluges Gesicht hatte und ein Buch in der Hand hielt, ein etwa zwanzigjähriges junges Mädchen, ganz in Trauerkleidung, mit einem Säugling auf dem Arm, ein dreizehnjähriges Mädchen, gleichfalls in Trauer, das sehr herzlich lachte und dabei den Mund gewaltig weit aufriß, und endlich ein sehr sonderbarer Zuhörer, ein auf dem Sofa liegender junger Mann von etwa zwanzig Jahren, sehr hübsch, mit langem, dichtem, dunklem Haar, großen, schwarzen Augen und einem kleinen Anflug von Bart. Dieser Zuhörer schien den Redenden häufig zu unterbrechen und ihm zu widersprechen, und darüber lachte wahrscheinlich das übrige Publikum.
»Lukjan Timofejewitsch, Lukjan Timofejewitsch! So hör doch! Sieh doch mal her ...! Na, bei euch ist auch alles vergebens!«
Mit einer wegwerfenden Handbewegung ging die Köchin fort; sie ärgerte sich so, daß sie ganz rot geworden war.
Lebedjew sah sich um und stand, als er den Fürsten erblickte, eine Weile wie vom Donner gerührt; dann stürzte er mit einem knechtischen Lächeln auf ihn zu, wurde aber unterwegs von neuem ganz starr und sagte nur:
»Durch-durch-durchlauchtigster Fürst!«
Aber wie wenn er immer noch nicht imstande wäre, seine Fassung wiederzugewinnen, drehte er sich auf einmal um und stürzte ohne jede Veranlassung zunächst auf das Mädchen in Trauer zu, das das Kind auf dem Arm hielt, so daß diese vor Überraschung und Schreck zurückschwankte; dann aber ließ er diese und stürmte auf das dreizehnjährige Mädchen los, das in der nach dem Nebenzimmer führenden Tür auf der Schwelle stand, und auf dessen Gesicht als Überrest des kurz vorhergehenden Lachens noch ein Lächeln lag. Sie hielt dem Anschreien nicht stand, sondern flüchtete sogleich in die Küche; Lebedjew stampfte hinter ihr her sogar mit den Füßen auf den Boden, um sie noch mehr zu erschrecken; aber als er dem Blick des Fürsten begegnete, der ihn verlegen ansah, sagte er zur Erklärung:
»Nur ... nur aus Ehrerbietung, hehehe!«
»Aber Sie machen sich unnötige Mühe ...«, begann der Fürst.
»Sofort, sofort, sofort ... schnell wie der Wind!«
Damit lief Lebedjew rasch aus dem Zimmer hinaus. Erstaunt blickte der Fürst das junge Mädchen, den Knaben und den auf dem Sofa liegenden jungen Mann an, die alle drei lachten. Auch der Fürst fing an zu lachen.
»Er ist gegangen, sich den Frack anzuziehen«, sagte der Knabe.
»Es tut mir außerordentlich leid ...«, begann der Fürst.
»Ich dachte schon ... Sagen Sie, ist er vielleicht ...«
»Sie meinen betrunken?« rief eine Stimme vom Sofa her.
»Nicht die Spur! Er hat vielleicht drei bis vier Gläschen getrunken, na, oder auch fünf; aber was will das bedeuten? Das ist ja ganz normal!«
Der Fürst wollte sich
Weitere Kostenlose Bücher