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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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höchst erstaunlich und sogar betrübend, daß Sie, junger Mensch, nicht einmal das haben begreifen können, daß Lisaweta Prokofjewna jetzt nur deswegen bei Ihnen geblieben ist, weil Sie krank sind (wenn anders Sie wirklich bald sterben werden), sozusagen aus Mitleid, wegen Ihrer kläglichen Reden, mein Herr, und daß ihrem Namen, ihren persönlichen Eigenschaften und ihrem Rang in keinem Fall irgendwelcher Makel anhaften kann ... Lisaweta Prokofjewna«, schloß der General, der ganz rot geworden war, »wenn du gehen willst, so wollen wir uns von unserm guten Fürsten verabschieden und ...«
    »Ich danke Ihnen für die Lektion, die Sie mir erteilt haben, General«, unterbrach ihn Ippolit ernst, indem er ihn nachdenklich ansah.
    »Kommen Sie, Mama! Wie lange soll denn das noch dauern?« sagte Aglaja ungeduldig und zornig und stand von ihrem Stuhl auf. »Noch zwei Minuten, lieber Iwan Fjodorowitsch, wenn du erlaubst!« wandte sich Lisaweta Prokofjewna mit würdiger Ruhe an ihren Gatten. »Mir scheint, er fiebert vollständig und redet geradezu irre; ich sehe es ihm an den Augen an; es muß etwas für ihn geschehen. Ljow Nikolajewitsch! Könnte er nicht bei dir übernachten, damit er heute nicht nach Petersburg zurückgeschleppt zu werden braucht? Cher prince, Sie langweilen sich doch nicht?« wandte sie sich ohne verständlichen Grund auf einmal an den Fürsten Schtsch. »Komm einmal her, Alexandra, und bring dein Haar in Ordnung, mein Kind!«
    Sie brachte ihr das Haar in Ordnung, an dem nichts in Ordnung zu bringen war, und küßte sie; letzteres war der einzige Grund gewesen, warum sie sie zu sich gerufen hatte.
    »Ich habe Sie für entwicklungsfähig gehalten«, begann Ippolit von neuem, indem er aus seiner Versunkenheit wieder zu sich kam. »Ja! Das war es, was ich noch sagen wollte!« rief er erfreut, als ob ihm plötzlich etwas eingefallen wäre. »Da wünscht nun Burdowski aufrichtig, seine Mutter zu beschützen, nicht wahr? Aber das Resultat ist, daß er sie in Unehre bringt. Da wünscht nun der Fürst, Burdowski zu helfen, und bietet ihm aus gutem Herzen seine Freundschaft und eine große Summe Geldes an und ist vielleicht von Ihnen allen der einzige, der gegen ihn keinen Widerwillen empfindet, und doch stehen gerade sie beide einander als wahre Feinde gegenüber ... Hahaha! Sie hassen alle Burdowski, weil er nach Ihrer Anschauung sich gegen seine Mutter unschön und unzart benimmt; so ist es doch? Nicht? Nicht? Sie legen ja alle einen enormen Wert auf Schönheit und Feinheit der Formen; nur darauf kommt es Ihnen an, nicht wahr? (Ich habe schon lange den Verdacht gehabt, daß es sich so verhält!) Nun, so mögen Sie denn wissen, daß vielleicht keiner von Ihnen seine Mutter so liebt wie Burdowski! Sie, Fürst, haben, wie ich weiß, durch Ganja der Mutter Burdowskis im stillen Geld geschickt, und nun möchte ich darauf wetten ... hihihi!« lachte er hysterisch, »... ich möchte darauf wetten, daß Burdowski Ihnen dies jetzt als unzarte Form und als eine Respektlosigkeit gegen seine Mutter zum Vorwurf machen wird. Bei Gott, so ist es! Hahaha!«
    Hier bekam er wieder keine Luft mehr und mußte husten.
    »Nun, bist du fertig? Hast du jetzt alles gesagt, was du sagen wolltest? Na, dann geh jetzt schlafen; du hast Fieber«, unterbrach ihn ungeduldig Lisaweta Prokofjewna, die ihren unruhigen Blick nicht von ihm abwandte. »Ach Gott, da fängt er schon wieder an zu reden!«
    »Sie lachen wohl? Was haben Sie immer über mich zu lachen? Ich habe bemerkt, daß Sie fortwährend über mich lachen!« wandte er sich plötzlich unruhig in gereiztem Ton an Jewgeni Pawlowitsch.
    Dieser hatte tatsächlich gelacht.
    »Ich wollte Sie nur fragen, Herr ... Ippolit ... Entschuldigen Sie, ich habe Ihren Familiennamen vergessen ...«
    »Herr Terentjew«, sagte der Fürst.
    »Ja, Terentjew; ich danke Ihnen, Fürst; der Name wurde vorhin genannt, war mir aber wieder entfallen ... Ich wollte Sie fragen, Herr Terentjew, ob das wahr ist, was ich gehört habe: Sie seien der Ansicht, Sie brauchten nur eine Viertelstunde lang aus dem Fenster zum Volk zu reden, dann sei es sogleich mit Ihnen in allen Stücken einverstanden und folge Ihnen sofort?«
    »Gut möglich, daß ich das gesagt habe«, antwortete Ippolit, wie wenn er in seinem Gedächtnis nachsuchte. »Ich habe es sicher gesagt«, fügte er auf einmal hinzu, indem er wieder lebhafter wurde und einen festen Blick auf Jewgeni Pawlowitsch heftete. »Nun, und was folgern Sie

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