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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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vorhin mit mir zusammen meinen Koffer gepackt. Führen Sie ihn hin, Kolja; mein Koffer steht ... im Zimmer des Fürsten unter dem Tisch ... mit diesem Schlüssel ... Unten im Koffer ... liegt meine Pistole und das Pulverhorn. Er selbst hat diese Sachen vorhin eingepackt, Herr Lebedjew; er wird sie Ihnen zeigen; aber unter der Bedingung, daß Sie mir morgen früh, wenn ich nach Petersburg fahre, die Pistole zurückgeben. Hören Sie wohl? Ich tue das mit Rücksicht auf den Fürsten, nicht um Ihretwillen.«
    »So ist es recht!« rief Lebedjew, griff nach dem Schlüssel und lief, spöttisch lächelnd, nach dem anstoßenden Zimmer.
    Kolja blieb stehen; er schien etwas sagen zu wollen, aber Lebedjew zog ihn hinter sich her.
    Ippolit blickte die lachenden Gäste an. Der Fürst bemerkte, daß seine Zähne wie im stärksten Fieberschauer aufeinanderklapperten.
    »Was sind das hier alles für nichtswürdige Menschen!« flüsterte Ippolit, ganz außer sich, dem Fürsten wieder zu. Wenn er mit dem Fürsten sprach, bog er sich immer zu ihm hin und flüsterte.
    »Lassen Sie sie doch; Sie sind sehr schwach ...«
    »Gleich, gleich ... gleich werde ich fortgehen.«
    Plötzlich umarmte er den Fürsten.
    »Sie finden vielleicht, daß ich verrückt bin?« fragte er, indem er ihn, seltsam auflachend, ansah.
    »Nein, aber Sie ...«
    »Gleich, gleich, seien Sie still; reden Sie nicht; bleiben Sie stehen ... ich will Ihnen in die Augen sehen ... Bleiben Sie so stehen; ich will Sie ansehen. Ich will von einem Menschen Abschied nehmen.«
    Er stand und blickte, ohne sich zu rühren, den Fürsten schweigend etwa zehn Sekunden lang an. Er war sehr blaß, seine Schläfen waren feucht von Schweiß. Er hielt den Fürsten in sonderbarer Weise an der Schulter gefaßt, als fürchtete er sich, ihn loszulassen.
    »Ippolit, Ippolit, was ist Ihnen?« rief der Fürst.
    »Sogleich ... es ist genug ... ich werde mich hinlegen. Ich will einen Schluck auf die Gesundheit der Sonne trinken ... Ich will es, ich will es, lassen Sie mich!«
    Er ergriff schnell ein Glas vom Tisch, stürzte davon und stand im nächsten Augenblick am Ausgang der Veranda. Der Fürst wollte ihm nachlaufen; aber es traf sich, daß gerade in diesem Moment Jewgeni Pawlowitsch ihm die Hand hinstreckte, um ihm Lebewohl zu sagen. Es verging eine Sekunde, und plötzlich erscholl ein allgemeiner Aufschrei in der Veranda. Dann folgte ein Augenblick ärgster Verwirrung.
    Was sich ereignet hatte, war folgendes:
    Als Ippolit ganz nahe an den Ausgang der Veranda gelangt war, blieb er stehen; in der linken Hand hielt er das Glas, die rechte hatte er in die rechte Seitentasche seines Paletots gesteckt. Keller versicherte nachher, Ippolit habe schon vorher diese Hand immer in der rechten Tasche gehabt, schon als er mit dem Fürsten gesprochen und ihn mit der linken Hand an die Schulter und an den Kragen gefaßt habe, und diese rechte Hand in der Tasche habe schon damals seinen, Kellers, ersten Verdacht erregt. Wie dem nun auch sein mochte, jedenfalls veranlaßte ihn eine gewisse Unruhe, Ippolit ebenfalls nachzulaufen. Aber auch er kam zu spät. Er sah nur, wie auf einmal in Ippolits rechter Hand etwas schimmerte, und wie in derselben Sekunde die kleine Taschenpistole sich dicht an seiner Schläfe befand. Keller stürzte hinzu, um ihn am Arm zu packen; aber im selben Augenblick drückte Ippolit ab. Es ertönte das scharfe, trockene Knacken des Hahnes; aber ein Schuß erfolgte nicht. Als Keller Ippolit umfaßte, sank ihm dieser wie bewußtlos in die Arme, vielleicht wirklich in der Vorstellung, daß er schon tot sei. Die Pistole befand sich in Kellers Händen. Man ergriff Ippolit, stellte ihm einen Stuhl hin, setzte ihn darauf, und alle umdrängten ihn, alle schrien, alle fragten. Alle hatten das Knacken des Hahnes gehört und erblickten nun einen Menschen, der lebte und nicht die geringste Verletzung aufwies. Ippolit selbst saß da, ohne zu begreifen, was vorging, und ließ wie geistesabwesend seinen Blick über alle Umstehenden hingleiten. Lebedjew und Kolja kamen in diesem Augenblick wieder hereingelaufen.
    »Hat die Pistole versagt?« fragten mehrere.
    »Vielleicht war sie gar nicht geladen?« vermuteten andere.
    »Geladen ist sie!« rief Keller, der die Pistole untersuchte.
    »Aber ...«
    »Also hat sie versagt?«
    »Es war gar kein Zündhütchen darauf«, meldete Keller. Es ist schwer, die nun folgende klägliche Szene zu schildern. Der ursprüngliche allgemeine Schreck wurde schnell von heiterem

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