Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
Herz.
    »Schon gut, schon gut ... Also dann war es Ferdyschtschenko? Das heißt, ich meine, Sie haben Ferdyschtschenko im Verdacht?«
    »Wen sonst?« sagte Lebedjew leise, indem er den Fürsten prüfend ansah.
    »Nun ja, selbstverständlich ... wen denn sonst ... das heißt, was haben Sie für Beweise dafür?«
    »Beweise habe ich schon. Erstens das Verschwinden um sieben Uhr oder sogar noch vor sieben Uhr morgens.«
    »Ich weiß, Kolja hat mir gesagt, daß er zu ihm herangekommen sei und gesagt habe, er gehe weg, um den Rest der Nacht bei seinem Freund zuzubringen ... ich habe den Namen vergessen.«
    »Wilkin heißt er. Also Nikolai Ardalionowitsch hat Ihnen das bereits gesagt?«
    »Von dem Diebstahl hat er mir nichts gesagt.«
    »Davon weiß er auch noch nichts; denn ich habe die Sache bis jetzt geheimgehalten. Also er ist zu Wilkin gegangen; man könnte nun meinen: was ist denn Wunderbares dabei, daß ein Trunkenbold zu einem ebensolchen Trunkenbold, wie er, geht, wenn es auch am frühen Morgen und ohne allen Anlaß geschieht? Aber hier kann man doch eine Spur entdecken: er hat beim Weggehen seine Adresse zurückgelassen ... Achten Sie jetzt wohl auf die Frage, die dabei entsteht, Fürst: warum hat er seine Adresse zurückgelassen ...? Warum geht er zu Nikolai Ardalionowitsch, wozu er einen Umweg machen muß, und teilt ihm mit: ›Ich gehe, um den Rest der Nacht bei Wilkin zuzubringen‹? Wer kann sich denn dafür interessieren, daß er weggeht, und daß er gerade zu Wilkin geht? Was hat es für Zweck, das hier mitzuteilen? Nein, das ist eine Schlauheit, die Schlauheit eines Diebes! Das bedeutet: ›Seht ihr wohl? Ich verberge meine Spuren absichtlich nicht; wie kann ich denn dann ein Dieb sein? Würde etwa ein Dieb Mitteilung davon machen, wohin er geht?‹ Er sucht da mit besonderer Sorgfalt den Verdacht von sich abzulenken und sozusagen seine Spuren im Sand zu verwischen ... Haben Sie mich auch verstanden, hochgeehrter Fürst?«
    »Verstanden habe ich Sie; sehr gut habe ich Sie verstanden; aber das reicht doch noch nicht aus.«
    »Zweiter Beweis: die Spur erweist sich als gefälscht, und die angegebene Adresse stimmt nicht. Eine Stunde darauf, das heißt um acht Uhr, klopfte ich schon bei Wilkin; er wohnt da in der Pjataja-Straße, und ich bin sogar mit ihm bekannt. Aber da war kein Ferdyschtschenko vorhanden. Zwar erfuhr ich von dem sehr schwerhörigen Dienstmädchen, daß vor einer Stunde tatsächlich jemand geläutet habe, und zwar so stark, daß der Klingelzug abgerissen sei. Aber das Mädchen hatte nicht geöffnet, da sie Herrn Wilkin nicht hatte wecken mögen und vielleicht auch selbst keine Lust gehabt hatte aufzustehen. Das kommt schon vor.«
    »Und das sind all Ihre Beweise? Das ist wenig.«
    »Aber, Fürst, bedenken Sie: wen könnte man denn sonst noch im Verdacht haben?« erwiderte Lebedjew in gerührtem Ton; aber aus seinem Lächeln schaute eine gewisse Listigkeit heraus.
    »Sie sollten noch einmal in allen Zimmern und Schubfächern nachsehen!« sagte der Fürst nach einigem Nachdenken mit sorgenvoller Miene.
    »Das habe ich ja getan!« versetzte Lebedjew mit noch größerer Rührung und seufzte dabei.
    »Hm ...! Warum mußten Sie auch den Zivilrock mit der Uniform vertauschen?!« rief der Fürst und schlug ärgerlich auf den Tisch.
    »Das ist eine Frage aus einem alten Lustspiel. Aber, großmütigster Fürst, Sie nehmen sich mein Unglück zu sehr zu Herzen! Ich bin so vieler Teilnahme gar nicht wert. Das heißt, ich allein würde nicht wert sein, daß Sie sich so beunruhigen; aber Sie leiden ja auch um des Verbrechers willen ... um dieses unbedeutenden Herrn Ferdyschtschenko willen!«
    »Nun ja, ja, Sie haben mich wirklich in Unruhe versetzt«, unterbrach ihn der Fürst zerstreut und mißvergnügt. »Also was beabsichtigen Sie denn nun eigentlich zu tun ... wenn Sie so fest davon überzeugt sind, daß es Ferdyschtschenko gewesen ist?«
    »Fürst, hochgeehrter Fürst, wer könnte es denn sonst gewesen sein?« erwiderte Lebedjew, mit immer wachsender Rührung sich hin und her windend. »Das Fehlen eines andern, an den man denken könnte, und sozusagen die absolute Unmöglichkeit, auf jemand außer Herrn Ferdyschtschenko Verdacht zu haben, das ist ja sozusagen noch ein Beweis gegen Herrn Ferdyschtschenko, schon der dritte Beweis! Denn ich frage noch einmal: wer könnte es sonst gewesen sein? Ich kann doch nicht Herrn Burdowski verdächtigen, hehehe!«
    »Was für ein Unsinn!«
    »Oder schließlich den

Weitere Kostenlose Bücher