1027 - Der Traum vom Schwarzen Tod
Eine Gestalt, die auf einem Pferd hockte. Kein Mensch, sondern etwas anderes. Ein unheimlicher Reiter, eingehüllt in einen düsteren Mantel, bewaffnet mit einer gewaltigen Sense, deren Metallblatt schimmerte wie blankes Eis.
Ein Mantel, der im Reitwind wehte, aber nicht verwehte. Pete Carella hatte nie erkennen können, welche alptraumhafte Gestalt sich unter dieser Deckung befand. Er mußte den Spekulationen zu seinen Träumen freien Lauf lassen. Alles konnte sich unter dem Mantel verbergen. Menschen, Monster, Mutationen.
Aliens vielleicht…
Pete gehörte zu den Menschen, die an die Existenz derartiger Wesen fest glaubten. Andere Lebensformen, so fremd sie auch gewesen sein mochten, waren ihm zwar ebenfalls fremd, aber er konnte sich damit anfreunden. Dabei ging er sogar noch einen Schritt weiter. Er rechnete damit, daß sie sich längst unter den Menschen befanden, auf welche Weise auch immer. Sie hatten sich mit ihnen zusammengetan, ohne daß die Bevölkerung der Erde es merkte. Sie waren aufeinander abgestimmt oder abgestellt. Aber sie waren auch geschickt.
Sie zeigten sich nur denjenigen, die es wert waren. Und Carella zählte sich zu den Auserwählten.
Es mußte ja nicht unbedingt der Kontakt der Berührung sein. Es gab genügend andere Aufnahmen, wie eben durch den Traum, den Pete bereits seit Nächten durchlitt.
Er war davon überzeugt, daß es nicht nur einfach ein Traum war, sondern eine Botschaft, eine Vorahnung. Man wollte ihn auf etwas hinweisen, er war derjenige, den man sich ausgesucht hatte, denn die anderen hatten längst erfahren, wie sehr er sich wünschte, einen Kontakt zu bekommen.
Pete beruhigte sich nur allmählich. Er blieb auch nicht mehr liegen und richtete sich auf. Im Bett blieb er sitzen, streckte seine Arme vor und legte die Handflächen auf die dünne Bettdecke.
In seinem Zimmer war es warm. Zu warm. Stickig. Und das, obwohl das Fenster offenstand. Jeder Besucher hätte zu ihm hereinkommen können. Pete schloß das Fenster nie. Er ließ es bewußt offen, der Weg sollte frei bleiben.
Er schaute nach draußen. Es war finster, aber nicht völlig dunkel.
Die Luft stand. Kein Windhauch bewegte sie. Schwül. Da roch es nach einem Gewitter.
Dieser Sommer hatte es in sich. Es gab viel Regen, auch wieder auf der Insel, die in den letzten Jahren zu trockene Sommer erlebt hatte.
Auf dem Festland trieb es das Wetter mit seinen Kapriolen besonders schlimm. Es war zu gewaltigen Überschwemmungen gekommen. Regengüsse hatten riesige Landstriche in Tschechien und Polen unter Wasser gesetzt. Es hatte Tote gegeben, Verletzte. Eine sich anbahnende Apokalypse, denn die Natur ließ sich nicht hinters Licht führen.
Die anderen waren da. Sie waren gekommen, um die Menschen zu bestrafen, nachdem die Bewohner der Erde lange genug von ihnen beobachtet worden waren.
Daran glaubte er felsenfest. Da gab es auch nichts zu rütteln.
Carella war sich sicherer als je zuvor. Allein bedingt durch seine Träume, die so intensiv geworden waren. Er sah sie schon nicht mehr als Träume an, sondern als Erlebnisse, als nächtliche events und natürlich als Botschaft. Immer um die gleiche Zeit. Noch vor Mitternacht begann sie, und auch vor Mitternacht wachte er auf.
Er strich durch sein Gesicht. Die Haut war nicht trocken. Der feuchte Film klebte darauf. Er wischte ihn ab. In den Armen spürte er den Muskelkater. Unerklärbar, als hätte ihn jemand daran gezogen.
Egal, nur nicht daran denken. Die anderen Sachen waren wichtiger. Wie in jeder Nacht würde er aufstehen, sich an den Schreibtisch setzen, um seine Eindrücke zu notieren. Alles gehörte zusammen.
Da war er Pedant. Er wollte chronologisch vorgehen. Punkt für Punkt mußte notiert werden, um später ein gesamtes Bild zu bekommen.
Carella stand auf. Selbst die Gelenke seiner Beine taten weh. Er ärgerte sich darüber, daß er so steif ging, aber es war nun mal nicht anders zu machen.
Im Zimmer waberte die Dunkelheit. Sie setzte sich aus tiefgrauen Schatten zusammen. Alles schien zu leben. Nicht nur seine kurze Hose, auch die Schatten hingen zusammen und flossen ineinander.
Pete fand seinen Weg auch ohne Licht. Er ließ sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch fallen. Wenn er den Kopf nach links drehte, konnte er durch das Fenster schauen.
Beide Flügel standen offen. Der Blick glitt hinaus in das weite und flache Land. Viel sehen konnte er nicht. Die Schatten der Nacht hatten sich darübergelegt und die Bäume verschluckt. Es war sehr still.
Vom
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