Der Idiot
wenn er nicht weiß, wo er bleiben soll?«
»Und obendrein ist er das reine Kind; man kann mit ihm noch Blindekuh spielen.«
»Blindekuh spielen? Wieso?«
»Ach, Mama, hören Sie doch, bitte, auf, sich so anzustellen!« unterbrach Aglaja sie ärgerlich.
Die Mittlere, Adelaida, ein lachlustiges Ding, konnte sich nicht länger halten und lachte los.
»Rufen Sie ihn her, Papa; Mama erlaubt es«, entschied Aglaja. Der General klingelte und gab Befehl, den Fürsten zu rufen.
»Aber nur unter der Bedingung, daß ihm jedenfalls eine Serviette um den Hals gebunden wird, wenn er sich an den Tisch setzt«, erklärte die Generalin. »Ruft Fjodor oder Mawra ... es soll einer hinter ihm stehen und auf ihn aufpassen, wenn er ißt. Verhält er sich denn wenigstens ruhig, wenn er seine Anfälle bekommt? Schlägt er nicht mit den Armen um sich?«
»Er ist sogar im Gegenteil sehr wohlerzogen und hat sehr gute Manieren. Etwas zu naiv ist er manchmal ... Aber da ist er ja selbst! Hier stelle ich euch den Fürsten Myschkin vor, den Letzten dieses Geschlechts, einen Namensvetter und vielleicht sogar Verwandten; nehmt ihn freundlich auf! Es findet gleich das Frühstück statt, Fürst; erweisen Sie uns also die Ehre ...! Mich aber entschuldigen Sie, bitte; ich habe mich schon verspätet und muß mich beeilen ...«
»Man weiß schon, wohin Sie es so eilig haben«, sagte die Generalin würdevoll.
»Ich muß eilen, ich muß eilen, liebe Frau; ich habe mich schon verspätet. Gebt ihm auch eure Alben, mesdames, damit er euch etwas hineinschreibt; er ist ein Kalligraph, wie man ihn selten findet, ein wahres Talent! Dort bei mir in meinem Arbeitszimmer hat er in altertümlicher Schrift geschrieben: ›Der Abt Pafnuti hat dies eigenhändig unterzeichnet‹ ... Nun, auf Wiedersehen!«
»Pafnuti? Abt? So warten Sie doch, warten Sie doch, wohin wollen Sie denn, und was ist das für ein Pafnuti?« rief die Generalin eigensinnig, ärgerlich und beinah in Aufregung ihrem davoneilenden Gatten nach.
»Ja, ja, liebe Frau, das war so ein Abt in alten Zeiten ... Aber ich muß zum Grafen; er wartet auf mich, schon lange; und vor allen Dingen: er hat mir die Zeit selbst bestimmt ... Auf Wiedersehen, Fürst!«
Der General entfernte sich mit schnellen Schritten.
»Ich weiß, zu welchem Grafen er es so eilig hat!« bemerkte Lisaweta Prokofjewna in scharfem Ton und lenkte gereizt ihre Blicke auf den Fürsten. »Ja, was war doch gleich?« begann sie, indem sie sich mürrisch und ärgerlich zu erinnern suchte. »Wovon redeten wir nur? Ach ja: was war das für ein Abt?«
»Mama!« begann Alexandra, und Aglaja stampfte sogar mit dem Füßchen.
»Stören Sie mich nicht, Alexandra Iwanowna!« schalt die Generalin, »ich will das auch wissen. Setzen Sie sich, Fürst, da auf diesen Sessel mir gegenüber; nein, hierher, rücken Sie mehr in die Sonne, ins Licht, damit ich Sie sehen kann! Nun also, was war das für ein Abt?«
»Der Abt Pafnuti«, antwortete der Fürst höflich und ernst.
»Pafnuti? Das ist interessant; also was war mit ihm?«
Die Generalin fragte ungeduldig, schnell, in scharfem Ton, ohne die Augen von dem Fürsten wegzuwenden, und als der Fürst antwortete, nickte sie zu jedem seiner Worte mit dem Kopf.
»Der Abt Pafnuti lebte im vierzehnten Jahrhundert«, begann der Fürst. »Er stand einem Kloster an der Wolga vor, in unserem jetzigen Gouvernement Kostroma. Er war durch sein frommes Leben weit und breit bekannt; er reiste auch zur Goldenen Horde, half die damals schwebenden Angelegenheiten ordnen und unterzeichnete ein Schriftstück; von dieser Unterschrift habe ich ein Faksimile gesehen. Die Schrift gefiel mir, und ich übte mich in ihr. Als der General vorhin sehen wollte, wie ich schriebe, um mir eine passende Stellung anzuweisen, schrieb ich einige Sätze in verschiedenen Schriftgattungen nieder und unter anderem auch den Satz ›Der Abt Pafnuti hat dies eigenhändig unterzeichnet‹ in der eigenen Schrift des Abtes Pafnuti. Das gefiel dem General sehr, und so hat er es denn jetzt erwähnt.«
»Aglaja«, sagte die Generalin, »merke es dir: Pafnuti! Oder notiere es dir lieber; ich vergesse dergleichen sonst immer. Übrigens hatte ich gedacht, die Sache würde interessanter sein. Wo ist denn diese Unterschrift?«
»Ich glaube, sie ist im Arbeitszimmer des Generals geblieben, auf dem Tisch.«
»Schickt doch gleich jemand hin und laßt sie herholen!«
»Ich werde sie Ihnen lieber noch einmal schreiben, wenn es Ihnen recht
Weitere Kostenlose Bücher