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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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ist.«
    »Gewiß, Mama«, sagte Alexandra, »aber jetzt wäre es das beste, wenn wir frühstückten; wir sind hungrig.«
    »Auch das«, erwiderte die Generalin. »Kommen Sie, Fürst; haben Sie großen Hunger?«
    »Ja, ich habe jetzt allerdings großen Hunger und sage Ihnen meinen besten Dank.«
    »Das ist sehr nett, daß Sie so höflich sind, und ich finde, daß Sie überhaupt nicht so ein ... Sonderling sind, wie man Sie uns geschildert hat. Kommen Sie! Setzen Sie sich hierher, mir gegenüber!« sagte sie, als sie ins Eßzimmer gekommen waren, geschäftig und nötigte den Fürsten zum Sitzen, »ich möchte Sie gern ansehen können. Alexandra, Adelaida, sorgt ihr beide für den Fürsten! Nicht wahr, er ist gar nicht so ... krank? Vielleicht ist auch die Vorsichtsmaßregel mit der Serviette nicht nötig ... Hat man Ihnen beim Essen eine Serviette umgebunden, Fürst?«
    »Früher, als ich etwa sieben Jahre alt war, hat man das wohl getan; aber jetzt lege ich mir die Serviette gewöhnlich auf die Knie, wenn ich esse.«
    »So ist das auch in der Ordnung. Und Ihre Anfälle?«
    »Anfälle?« fragte der Fürst ein wenig verwundert. »Anfälle kommen jetzt bei mir nur sehr selten vor. Übrigens, ich weiß nicht, es wird mir gesagt, das hiesige Klima werde mir schädlich sein.«
    »Er spricht gut«, bemerkte die Generalin, zu ihren Töchtern gewendet; sie nickte immer noch zu jedem Wort des Fürsten mit dem Kopf, »ich hatte das gar nicht erwartet. Es war also wie gewöhnlich nur dummes Zeug und Unwahrheit. Essen Sie, Fürst, und erzählen Sie, wo Sie geboren und wo Sie erzogen sind! Ich möchte alles wissen; Sie interessieren mich ganz außerordentlich.«
    Der Fürst bedankte sich, und während er mit großem Appetit aß, begann er von neuem all das mitzuteilen, wovon er an diesem Morgen schon mehrmals zu reden Anlaß gehabt hatte. Die Generalin zeigte sich immer mehr befriedigt. Auch die jungen Damen hörten recht aufmerksam zu. Man suchte die Verwandtschaft festzustellen, wobei sich herausstellte, daß der Fürst seinen Stammbaum ziemlich gut im Kopf hatte; aber trotz aller Bemühung wollte sich zwischen ihm und der Generalin keinerlei Verwandtschaft ergeben. Nur zwischen den beiderseitigen Großvätern und Großmüttern hätte sich allenfalls eine entfernte Verwandtschaft annehmen lassen. Dieser trockene Gesprächsstoff gefiel der Generalin ganz ausnehmend, da sie fast nie Gelegenheit hatte, von ihrem Stammbaum zu sprechen, obwohl sie es sehr gern tat, und als sie vom Tisch aufstand, befand sie sich infolgedessen in angeregter Stimmung.
    »Wir wollen alle in unser sogenanntes Klublokal gehen«, sagte sie, »und auch der Kaffee soll dorthin gebracht werden.« »Wir haben ein solches gemeinsames Zimmer«, wandte sie sich an den Fürsten, den sie führte, »es ist ganz einfach mein kleiner Salon, wo wir, wenn kein Besuch da ist, uns zusammenfinden und eine jede von uns sich in ihrer Weise beschäftigt: Alexandra hier, meine älteste Tochter, spielt Klavier oder liest oder stickt; Adelaida malt Landschaften und Porträts (sie wird nur leider mit nichts fertig), und Aglaja sitzt da und tut nichts. Mir geht die Arbeit ebenfalls nicht vonstatten; es kommt nichts Ordentliches dabei heraus. Nun, sehen Sie, da sind wir; setzen Sie sich hierher, Fürst, an den Kamin, und erzählen Sie! Ich möchte gern wissen, wie Sie zu erzählen verstehen. Ich möchte ganz genaue Kenntnis von allem erlangen, und wenn ich dann mit der alten Fürstin Bjelokonskaja zusammenkomme, will ich ihr viel von Ihnen erzählen. Ich möchte, daß alle Leute ebenfalls für Sie Interesse gewinnen. Nun also, reden Sie!«
    »Aber Mama, es ist doch sehr sonderbar, so auf Befehl erzählen zu müssen«, bemerkte Adelaida, die unterdessen ihre Staffelei zurechtgerückt, Pinsel und Palette zur Hand genommen hatte und nun anfing, eine schon vor längerer Zeit begonnene Landschaft nach einem Kupferstich zu kopieren. Alexandra und Aglaja setzten sich nebeneinander auf ein kleines Sofa, legten die Hände zusammen und machten sich bereit, das Gespräch mitanzuhören. Der Fürst nahm wahr, daß sich von allen Seiten eine gespannte Aufmerksamkeit auf ihn richtete.
    »Ich würde nichts erzählen, wenn es mir in solcher Weise befohlen würde«, bemerkte Aglaja.
    »Warum denn? Was ist denn dabei weiter sonderbar? Warum soll er nicht erzählen? Wozu hat er denn seine Zunge? Ich will wissen, wie er zu reden versteht. Sprechen Sie also, worüber Sie wollen! Erzählen Sie, wie Ihnen

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