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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Aglaja aber hatte sich in einem Augenblick von ihrem Affekt völlig hinreißen lassen, wie wenn sie von einem steilen Berg hinabführe, und konnte der süßen Lockung, sich zu rächen, nicht widerstehen. Für Nastasja Filippowna war es eine seltsame Überraschung, Aglaja in einem solchen Zustand zu sehen; sie betrachtete sie, als wenn sie ihren Augen nicht traute, und wußte sich im ersten Augenblick schlechterdings nicht zurechtzufinden. Mochte ihr nun, wie Jewgeni Pawlowitsch meinte, die Lektüre von Gedichten den Kopf ein bißchen verdreht haben, oder mochte sie, wovon der Fürst überzeugt war, einfach eine Irrsinnige sein: jedenfalls war diese Frau, obwohl sie manchmal so zynische, dreiste Manieren herauskehrte, in Wirklichkeit weit schamhafter, zartfühlender und vertrauensvoller, als man es von ihr hätte denken sollen. Allerdings waren Bücherwissen, ein Hang zur Träumerei, eine große Verschlossenheit und eine zügellose Phantasie hervorstechende Eigenschaften an ihr; aber dafür besaß sie auch eine bedeutende seelische Kraft und Tiefe ...
    Der Fürst hatte dafür Verständnis; sein Leid prägte sich auf seinem Gesicht aus. Aglaja bemerkte dies und zitterte vor Haß.
    »Wie können Sie sich erdreisten, so zu mir zu reden?« rief sie, in Erwiderung auf Nastasja Filippownas Bemerkung, in unbeschreiblich hochmütigem Ton.
    »Sie haben sich gewiß verhört«, versetzte Nastasja Filippowna erstaunt. »Wie soll ich denn zu Ihnen geredet haben?«
    »Wenn Sie eine ehrliche Frau sein wollten, warum haben Sie sich dann von Ihrem Verführer Tozki nicht einfach losgesagt ... ohne alles Komödienspielen?« sagte Aglaja auf einmal ohne äußeren Anlaß.
    »Was wissen Sie von meiner Lage, daß Sie über mich zu Gericht zu sitzen wagen?« rief Nastasja Filippowna zusammenfahrend; sie war erschreckend blaß geworden.
    »Ich weiß soviel davon, daß Sie nicht arbeiten gegangen, sondern mit dem reichen Rogoschin davongefahren sind, um den gefallenen Engel zu spielen. Ich wundere mich nicht, daß Tozki sich um des gefallenen Engels willen erschießen wollte!«
    »Hören Sie auf damit!« erwiderte Nastasja Filippowna voll schmerzlichen Ekels. »Sie haben für mich ebensoviel Verständnis wie ... Darja Alexejewnas Stubenmädchen, das neulich mit seinem Bräutigam vor dem Friedensrichter prozessierte. Und die hätte noch eher Verständnis gehabt ...«
    »Wahrscheinlich ist sie ein ehrbares Mädchen, das von seiner Arbeit lebt. Warum reden Sie von einem Stubenmädchen mit solcher Geringschätzung?«
    »Meine Geringschätzung gilt nicht der Arbeit, sondern Ihnen, wenn Sie von der Arbeit reden.«
    »Wenn Sie hätten ehrbar leben wollen, dann wären Sie Wäscherin geworden.«
    Beide standen auf und blickten einander mit bleichen Gesichtern an.
    »Aglaja, halten Sie ein! Sie sind ungerecht!« rief der Fürst fassungslos.
    Rogoschin lächelte nicht mehr, sondern hörte mit zusammengepreßten Lippen und verschränkten Armen zu. »Da, seht sie an!« sagte Nastasja Filippowna, zitternd vor zorniger Erregung. »Seht dieses Fräulein an! Und ich hatte sie für einen Engel gehalten! Sind Sie denn ohne Gouvernante zu mir gekommen, Aglaja Iwanowna ...? Aber wenn Sie wollen ... wenn Sie wollen, so werde ich Ihnen sofort geradeheraus ungeschminkt sagen, warum Sie zu mir gekommen sind. Sie haben Angst gehabt; darum sind Sie gekommen!«
    »Angst vor Ihnen?« fragte Aglaja, ganz außer sich vor verständnislosem, empörtem Erstaunen darüber, daß die andere so mit ihr zu reden wagte.
    »Allerdings, vor mir! Wenn Sie sich entschlossen, zu mir zu kommen, so geschah das aus Furcht. Und wen man fürchtet, den schätzt man nicht gering. Nein, wenn ich jetzt daran denke, daß ich Sie hochgeschätzt habe, sogar noch bis zu diesem Augenblick! Und wollen Sie wissen, warum Sie vor mir Angst haben, und welches jetzt Ihre Hauptabsicht ist? Sie wollten selbst persönlich feststellen, wen von uns beiden er mehr liebt, mich oder Sie; denn Sie sind schrecklich eifersüchtig ...«
    »Er hat mir bereits gesagt, daß er Sie haßt ...«, flüsterte Aglaja kaum vernehmbar.
    »Vielleicht; ich bin seiner vielleicht nicht wert; aber ... aber ich glaube, Sie haben gelogen! Er kann mich nicht hassen, und er hat das nicht sagen können! Ich bin übrigens bereit, Ihnen in Anbetracht Ihrer Lage zu verzeihen ... aber ich habe doch eine bessere; Meinung von Ihnen gehabt; ich glaubte, Sie seien klüger ... und auch schöner, wahrhaftig ...! Nun, dann nehmen Sie Ihren Schatz hin

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