Der Idiot
Ankömmlinge ebenfalls mit unruhiger Neugierde.
Endlich faßte sich Ganja.
»Aber erlauben Sie, was soll denn das eigentlich vorstellen?« sagte er mit lauter Stimme, indem er die Eingetretenen mit strengem Blick ansah und sich vorzugsweise an Rogoschin wandte. »Sie sind hier doch nicht in einen Pferdestall hereingekommen, meine Herren; hier befinden sich meine Mutter und meine Schwester.«
»Das sehen wir, daß deine Mutter und deine Schwester da sind«, preßte Rogoschin zwischen den Zähnen hervor.
»Daß die Mutter und die Schwester da sind, das sieht man«, pflichtete ihm Lebedjew bei, um sich ein Ansehen zu geben. Der Herr mit den Fäusten, der wohl annahm, daß jetzt der richtige Augenblick gekommen sei, fing an, etwas zu brummen.
»Aber das ist doch unerhört!« rief Ganja erregt und überlaut. »Erstens ersuche ich Sie alle, dieses Zimmer zu verlassen und in das Wohnzimmer zu gehen, und dann seien Sie so freundlich, sich vorzustellen ...«
»Nun sieh einer an! Er kennt mich nicht!« erwiderte Rogoschin mit boshaftem Lächeln, ohne sich vom Fleck zu rühren. »Kennst du Rogoschin nicht mehr?«
»Ich bin allerdings schon irgendwo mit Ihnen zusammengetroffen, aber ...«
»Sieh mal an! Irgendwo zusammengetroffen! Ich habe ja erst vor drei Monaten zweihundert Rubel, die meinem Vater gehörten, an dich verspielt, und der Alte ist gestorben, ehe er es erfahren hat; du hast mich hingeschleppt, und Knif hat mich gerupft. Und da kennst du mich nicht? Ptizyn kann es bezeugen! Aber wenn ich jetzt drei Rubel aus der Tasche ziehe und dir zeige, dann kriechst du hinter ihnen her auf allen vieren bis zur Wasili-Insel. So ein Subjekt bist du! So einen Charakter hast du! Ich bin auch jetzt hierher gekommen, um dich für Geld zu kaufen. Kümmere dich nicht darum, daß ich in solchen Stiefeln hereingekommen bin; ich habe Geld, lieber Freund, viel Geld, und werde dich und alles, was drum und dran ist, kaufen ... Wenn ich will, kaufe ich euch alle! Alles kaufe ich!« Er war immer hitziger geworden und schien immer mehr in die Berauschtheit hineinzugeraten. »Ach, ach!« schrie er. »Nastasja Filippowna! Jagen Sie mich nicht fort! Sagen Sie nur ein einziges Wörtchen: werden Sie ihn heiraten oder nicht?«
Rogoschin hatte diese Frage gestellt, wie wenn er ganz wirr im Kopf wäre und wie wenn er sich an eine Gottheit wendete, aber mit der Kühnheit eines zum Tode Verurteilten, der nichts mehr zu verlieren hat. In Todesangst wartete er auf die Antwort.
Nastasja Filippowna maß ihn mit einem spöttischen, hochmütigen Blick; aber dann sah sie nach Warja und nach Nina Alexandrowna hin, betrachtete prüfend Ganja und veränderte plötzlich ihren Ton.
»Nein, keineswegs; was haben Sie denn? Und mit welchem Recht stellen Sie mir diese Frage?« antwortete sie leise und ernst und, wie es schien, etwas erstaunt.
»Nein? Nein?« schrie Rogoschin, vor Freude ganz außer sich. »Also nicht? Und die Leute hatten es mir gesagt ...! Ach! Oh ...! Nastasja Filippowna! Die Leute sagen, Sie hätten sich mit Ganja verlobt! Mit diesem Menschen? Ist das denn überhaupt möglich? Ich habe zu allen Leuten gesagt, daß das nicht möglich ist. Ich kaufe ja den ganzen Patron für hundert Rubel, und wenn ich ihm tausend Rubel, na, oder auch dreitausend Rubel dafür gebe, daß er zurücktritt, so wird er am Tag vor der Hochzeit davonlaufen und mir seine Braut ganz überlassen. Ja, ja, so ist es, Ganja, du Schuft! Du würdest gewiß die dreitausend nehmen! Da sind sie, da! Eben deswegen bin ich ja hergekommen, um mir von dir einen solchen schriftlichen Verzicht ausstellen zu lassen. Ich habe gesagt: ›Ich will ihn kaufen!‹, und das will ich denn auch tun!«
»Scher dich weg von hier; du bist ja betrunken!« schrie Ganja, der abwechselnd rot und blaß wurde.
Sowie diese Aufforderung verklungen war, ließen sich plötzlich mehrere heftige Stimmen vernehmen; Rogoschins ganzer Trupp hatte schon lange auf die erste Herausforderung gewartet. Lebedjew flüsterte Rogoschin etwas mit besonderem Eifer ins Ohr.
»Da hast du recht, du Bureaumensch!« antwortete Rogoschin. »Da hast du recht, du Trunkenbold! Ach, wir wollen's wagen! Nastasja Filippowna!« rief er, blickte wie ein Halbirrer rings um sich, wurde ängstlich und ging dann auf einmal wieder zu kühner Dreistigkeit über. »Da sind achtzehntausend Rubel!« Und er warf ein in weißes Papier eingewickeltes, kreuzweise zugebundenes Päckchen vor ihr auf das Tischchen. »Da! Und ... es kommt noch
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