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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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mochten sie ihn hier doch ganz vergessen. Oh, das war sogar notwendig und das beste würde sein, wenn man ihn hier gar nicht gekannt hätte und das alles nur ein Traumbild gewesen wäre. Aber war es denn nicht ganz gleich, ob es ein Traum oder Wirklichkeit war? Manchmal begann er plötzlich Aglaja zu betrachten und konnte fünf Minuten lang seinen Blick nicht von ihrem Gesicht losreißen; aber sein Blick war sehr sonderbar: er schien sie so anzusehen, als wäre sie ein etwa zwei Werst von ihm entfernter Gegenstand oder als wäre sie ihr Porträt und nicht sie selbst.
    »Warum sehen Sie mich denn so an, Fürst?« fragte sie auf einmal, indem sie das heitere Geplauder und Gelache mit ihrer Umgebung unterbrach. »Ich fürchte mich vor Ihnen; ich habe immer die Vorstellung, Sie wollten die Hand ausstrecken und mein Gesicht mit den Fingern berühren, um es zu befühlen. Nicht wahr, Jewgenij Pawlowitsch, so sieht er mich an?«
    Der Fürst hörte, wie es schien, mit Erstaunen, daß sich jemand an ihn wandte, überlegte das Gesagte, obwohl er es vielleicht nicht ganz verstand, gab jedoch keine Antwort, aber als er sah, daß sie und alle andern lachten, öffnete er plötzlich den Mund und begann ebenfalls zu lachen. Das Gelächter ringsum wurde noch stärker; der Offizier, der offenbar ein lachlustiger Mensch war, schüttelte sich nur so vor Lachen. Aglaja flüsterte auf einmal zornig vor sich hin:
    »So ein Idiot!«
    ›O Gott! Kann sie denn wirklich so einen... ist sie denn ganz verrückt geworden?‹ dachte Lisaweta Prokofjewna zähneknirschend.
    »Es ist ein Scherz! Es ist derselbe Scherz wie damals mit dem ›armen Ritter‹«, flüsterte ihr Alexandra im Ton fester Überzeugung ins Ohr, »weiter nichts! Sie hat sich auf ihre Weise wieder über ihn lustig gemacht. Nur geht dieser Scherz zu weit, dem muß ein Ende gemacht werden, maman! Vorhin hat sie uns wie eine Komödiantin eine Szene vorgespielt und uns aus Unart einen Schreck eingejagt...«
    »Es ist noch ein Glück, daß sie an einen solchen Idioten geraten ist«, flüsterte ihr Lisaweta Prokofjewna als Antwort zu. Die Bemerkung der Tochter hatte ihr doch das Herz etwas leichter gemacht.
    Der Fürst hörte, daß er ein Idiot genannt wurde, und fuhr zusammen, aber nicht infolge dieser Benennung. Den »Idioten« vergaß er sofort wieder. Aber in der Menge, nicht weit von der Stelle, wo er saß, irgendwo seitwärts – er hätte die Stelle und den Punkt, wo es gewesen war, schlechterdings nicht bezeichnen können –, war ein Männergesicht aufgetaucht, ein blasses Gesicht, mit lockigem, dunklem Haar, mit einem ihm bekannten, sehr bekannten Blick und Lächeln, es war aufgetaucht und wieder verschwunden. Sehr möglich, daß er es sich nur eingebildet hatte; von der ganzen Vision blieb ihm nur der Eindruck des schiefen Lächelns, der Augen und des hellgrünen, stutzerhaften Halstuches, das der vorüberhuschende Herr getragen hatte, im Gedächtnis haften. Ob dieser Herr in der Menge verschwunden oder in das Vauxhallgebäude hineingeschlüpft war, das hätte der Fürst gleichfalls nicht zu sagen vermocht.
    Aber einen Augenblick darauf begann er auf einmal schnell und unruhig um sich zu blicken; diese erste Vision konnte die Vorbotin und Vorläuferin einer zweiten sein. Das war mit Sicherheit anzunehmen. Hatte er wirklich, als er sich nach dem Vauxhall begab, gar nicht an die Möglichkeit eines Zusammentreffens gedacht? Während er nach dem Vauxhall ging, hatte er allerdings gar nicht gewußt, daß er dorthin ging – in einem solchen Zustand hatte er sich befunden. Wenn er aufmerksamer hätte sein können oder wollen, so hätte er schon vor einer Viertelstunde bemerken können, daß Aglaja ab und zu ebenfalls mit einer gewissen Unruhe eilig um sich blickte, ebenfalls, als ob sie etwas um sich herum suche. Jetzt, als seine Unruhe stark bemerkbar wurde, wuchs auch Aglajas Aufregung und Unruhe, und kaum blickte er rückwärts, so tat auch sie fast im gleichen Augenblick dasselbe. Das Ereignis, dem mit solcher Unruhe entgegengesehen wurde, ließ nicht lange auf sich warten.
    Von eben jenem Seitenausgang aus dem Vauxhall, neben dem der Fürst und die ganze Jepantschinsche Gesellschaft Platz genommen hatten, erschien plötzlich ein ganzer Schwarm von mindestens zehn Menschen. An der Spitze dieses Schwarmes gingen drei Frauen; zwei von ihnen waren außerordentlich schön, und es war nicht zu verwundern, daß ihnen so viele Verehrer nachfolgten. Aber sowohl die Verehrer als auch

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