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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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nehmen.
    »Na, sie sind verrückt!« murmelte Lisaweta Prokofjewna. »Erst jagen sie einem einen Schreck ein, und dann...«
    Aber jetzt lachte auch schon Fürst Schtsch., auch Jewgenij Pawlowitsch lachte, Kolja lachte ohne Aufhören, und beim Anblick des allgemeinen Gelächters lachte auch der Fürst.
    »Wir wollen Spazierengehen, wir wollen Spazierengehen!« rief Adelaida. »Alle zusammen wollen wir gehen, und der Fürst muß unbedingt mit uns kommen; Sie dürfen nicht weggehen, Sie lieber Mensch! Was für ein lieber Mensch er ist, Aglaja! Nicht wahr, Mamachen? Ich muß ihn unbedingt, unbedingt umarmen und ihm einen Kuß geben für... für die Erklärung, die er unserer Aglaja soeben gemacht hat. Liebe maman, erlauben Sie mir, ihm einen Kuß zu geben! Aglaja, erlaube mir, deinen Fürsten zu küssen!« rief die Übermütige, sprang wirklich zu dem Fürsten hin und küßte ihn auf die Stirn. Dieser ergriff ihre beiden Hände, drückte sie kräftig, so daß Adelaida beinah aufschrie, sah ihr mit grenzenloser Freude ins Gesicht, führte plötzlich schnell ihre Hand an seine Lippen und küßte sie dreimal.
    »Wir wollen gehen!« rief Aglaja. »Fürst, Sie sollen mich führen! Darf das ein junger Mann tun, maman, der mir einen Korb gegeben hat? Ihre Absage an mich gilt ja doch wohl gleich für das ganze Leben, Fürst? Aber doch nicht so! So gibt man einer Dame doch nicht den Arm! Wissen Sie denn nicht, wie man eine Dame am Arm führt? So macht man das! Nun kommen Sie, wir wollen allen vorangehen; wollen Sie mit mir vorangehen, tête-à-tête?«
    Sie sprach ohne Pause und wurde dazwischen immer noch wieder von Lachen geschüttelt.
    »Gott sei Dank, Gott sei Dank!« sagte Lisaweta Prokofjewna ein Mal über das andere, ohne selbst zu wissen, worüber sie sich eigentlich freute.
    »Ganz sonderbare Menschen!« dachte Fürst Schtsch. vielleicht zum hundertstenmal, seit er sie kennengelernt hatte, aber... diese sonderbaren Menschen gefielen ihm. Was den Fürsten anlangte, so gefiel ihm der vielleicht nicht so besonders; Fürst Schtsch. machte ein sehr ernstes Gesicht und schien nicht frei von Sorgen, als alle den Spaziergang antraten.
    Jewgenij Pawlowitsch befand sich anscheinend in heiterster Gemütsstimmung; während des ganzen Weges zum Vauxhall unterhielt er Alexandra und Adelaida mit den lustigsten Reden, und die jungen Damen lachten mit ganz besonderer Bereitwilligkeit über seine Scherze, mit einer solchen Bereitwilligkeit, daß ihm der Gedanke durch den Kopf schoß, sie hörten auf das, was er sagte, vielleicht überhaupt nicht hin. Infolge dieses Gedankens brach er plötzlich, ohne einen Grund anzugeben, in lautes Gelächter aus, das ihm ganz von Herzen kam (so war nun einmal sein Charakter!). Die beiden Schwestern, die übrigens in einer Art festlicher Stimmung waren, blickten fortwährend nach Aglaja und dem Fürsten hin, die vor ihnen gingen; offenbar hatte die jüngste Schwester ihnen ein schweres Rätsel aufgegeben. Fürst Schtsch. war andauernd bemüht, Lisaweta Prokofjewna mit nebensächlichen Dingen zu unterhalten, vielleicht, um sie zu zerstreuen, und wurde ihr damit sehr lästig. Sie schien ganz verstört zu sein und gab Antworten, die nicht zu den Fragen paßten, mitunter antwortete sie auch überhaupt nicht. Aber die Rätsel, die Aglaja Iwanowna den anderen an diesem Abend aufgab, hatten noch nicht ihr Ende erreicht. Das letzte Rätsel legte sie dem Fürsten allein vor. Als sie sich ungefähr hundert Schritte von dem Landhaus entfernt hatten, sagte Aglaja hastig, halb flüsternd zu ihrem hartnäckig schweigenden Kavalier:
    »Blicken Sie einmal nach rechts!«
    Der Fürst blickte nach der angegebenen Richtung.
    »Blicken Sie recht aufmerksam hin! Sehen Sie da eine Bank im Park, da, wo die drei großen Bäume stehen... eine grüne Bank?«
    Der Fürst antwortete, daß er sie sehe.
    »Gefällt Ihnen das Plätzchen? Ich gehe manchmal frühmorgens gegen sieben Uhr, wenn alle noch schlafen, allein dorthin und sitze da.«
    Der Fürst murmelte, es sei ein sehr schönes Plätzchen.
    »Aber jetzt lassen Sie mich los, ich möchte nicht länger mit Ihnen untergefaßt gehen. Oder besser so: lassen Sie mir Ihren Arm, aber reden Sie mit mir kein Wort! Ich möchte still für mich nachdenken...«
    Dieses Verbot war jedenfalls überflüssig: der Fürst hätte sicherlich auch ohne solche Weisung auf dem ganzen Weg kein Wort gesprochen. Sein Herz begann furchtbar zu klopfen, als er die Mitteilung von der Bank hörte. Einen

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