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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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entbehrende Benehmen. Aber dieses Benehmen gab zu einer seltsamen Episode Anlaß.
    »Warum sagen Sie das hier?« rief Aglaja plötzlich. »Warum sagen Sie das zu diesen Menschen? Zu diesen Menschen! Zu diesen Menschen!«
    Sie schien im höchsten Grade entrüstet zu sein; ihre Augen sprühten Funken. Der Fürst stand stumm und sprachlos vor ihr und wurde auf einmal ganz blaß.
    »Hier ist niemand, der solche Worte verdiente!« fuhr Aglaja heftig fort. »Alle, die hier anwesend sind, sind nicht so viel wert wie Ihr kleiner Finger und reichen nicht an Ihren Verstand und Ihr Herz heran! Sie sind ehrlicher als sie alle, edler als sie alle, klüger als sie alle! Manche sind hier nicht wert, sich zu bücken und das Taschentuch aufzuheben, das Sie soeben haben hinfallen lassen ... Warum setzen Sie sich selbst herab und stellen sich niedriger als alle? Warum karikieren Sie all Ihre guten Eigenschaften? Warum besitzen Sie so gar keinen Stolz?«
    »Mein Gott, ist es zu glauben?« rief Lisaweta Prokofjewna und schlug die Hände zusammen.
    »Der arme Ritter! Hurra!« schrie Kolja begeistert.
    »Schweigen Sie!... Wie kann jemand wagen, mich hier in Ihrem Hause zu beleidigen!« fiel Aglaja plötzlich mit größter Heftigkeit über ihre Mutter her. Sie befand sich bereits in jenem hysterischen Zustand, in dem der Mensch keine Grenzen mehr kennt und über jedes Hindernis hinwegschreitet. »Warum peinigen sie mich alle, alle ohne Ausnahme? Warum haben alle diese Menschen mir diese drei Tage lang um Ihretwillen zugesetzt, Fürst? Ich werde Sie um keinen Preis heiraten! Hören Sie wohl: um keinen Preis und niemals! Das mögen Sie wissen! Wie kann man denn auch einen so lächerlichen Menschen wie Sie heiraten? Betrachten Sie sich jetzt nur einmal im Spiegel, wie Sie dastehen!... Warum, warum ziehen mich alle damit auf, daß ich Sie heiraten werde? Sie, Sie müssen das wissen! Sie sind auch mit in der Verschwörung!«
    »Nie hat dich jemand damit aufgezogen!« murmelte Adelaida erschrocken.
    »Es ist keinem in den Sinn gekommen, kein Wort von der Art ist gesprochen worden!« rief Alexandra Iwanowna.
    »Wer hat sie aufgezogen? Wann ist das geschehen? Wer hat es fertiggebracht, so etwas zu ihr zu sagen? Redet sie irre?« Mit diesen Fragen wandte sich Lisaweta Prokofjewna, zitternd vor Zorn, an alle Anwesenden.
    »Alle haben es gesagt, alle ohne Ausnahme, die ganzen drei Tage lang! Aber ich werde ihn niemals heiraten, niemals!«
    Nach diesen heftig hervorgestoßenen Worten brach Aglaja in bittere Tränen aus, verbarg ihr Gesicht im Taschentuch und ließ sich auf einen Stuhl sinken.
    »Aber er hat dir ja noch gar keinen Antrag...«
    »Ich habe Ihnen keinen Antrag gemacht, Aglaja Iwanowna«, entfuhr es dem Fürsten unwillkürlich.
    »Wa-as?« rief Lisaweta Prokofjewna erstaunt, entrüstet, erschrocken aus und zog dieses Wort sehr in die Länge. »Was – soll – das – heißen?«
    Sie wollte ihren Ohren nicht trauen.
    »Ich wollte sagen... ich wollte sagen«, erwiderte der Fürst zitternd, »ich wollte Aglaja Iwanowna nur erklären... die Ehre haben zu erklären, daß ich überhaupt nicht beabsichtigte... die Ehre zu haben, um ihre Hand zu bitten... zu keiner Zeit... Ich bin hierbei ganz unschuldig, bei Gott, ganz unschuldig, Aglaja Iwanowna! Ich habe es nie gewollt, und es ist mir nie in den Sinn gekommen, ich werde es niemals wollen, das werden Sie selbst sehen: davon können Sie überzeugt sein! Irgendein schlechter Mensch muß mich bei Ihnen verleumdet haben! Seien Sie ganz beruhigt!«
    Während er das sagte, näherte er sich dem aufgeregten Mädchen. Diese nahm das Taschentuch weg, mit dem sie ihr Gesicht verhüllt hatte, warf einen schnellen Blick auf ihn und seine ganze erschrockene Gestalt, wurde sich über den Sinn seiner Worte klar und lachte ihm auf einmal gerade ins Gesicht, mit einem so lustigen, unbezwingbaren Lachen, einem so komischen, spöttischen Lachen, daß als erste Adelaida sich nicht halten konnte, namentlich nachdem sie ebenfalls den Fürsten angeblickt hatte, zu ihrer Schwester hinstürzte, sie umarmte und in ein ebenso unbezwingbares, schulmädchenhaft lustiges Lachen ausbrach wie diese. Beim Anblick der beiden begann der Fürst plötzlich zu lächeln und sagte mit fröhlicher, glückseliger Miene mehrmals:
    »Nun, Gott sei Dank, Gott sei Dank!«
    Jetzt konnte sich auch Alexandra nicht mehr beherrschen und begann ebenso herzhaft zu lachen. Es schien, als wollte dieses Gelächter der drei Mädchen gar kein Ende

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