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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Gehen sie schon weg? Ist es zu Ende? Ist alles zu Ende? Ist die Sonne schon aufgegangen?« fragte er aufgeregt und griff nach der Hand des Fürsten. »Was ist die Uhr? Um Gottes willen, was ist die Uhr? Ich habe die Zeit verschlafen. Wie lange habe ich geschlafen?« fügte er mit fast verzweifelter Miene hinzu, als ob er etwas verschlafen hätte, wovon mindestens sein ganzes Schicksal abhinge.
    »Sie haben sieben oder acht Minuten geschlafen«, antwortete Jewgenij Pawlowitsch.
    Ippolit blickte ihn gespannt an und dachte einige Augenblicke nach.
    »Ah ... nicht mehr! Also kann ich ...«
    Er holte tief und begierig Atem, als hätte er eine schwere Last von sich geworfen. Er merkte endlich, daß nichts »zu Ende war«, daß es noch nicht tagte, daß die Gäste nur wegen des Imbisses vom Tisch aufgestanden waren und daß lediglich Lebedews Geschwätz aufgehört hatte. Er lächelte, und eine schwindsüchtige Röte erschien in Gestalt zweier greller Flecke auf seinen Wangen.
    »Sie haben also sogar die Minuten gezählt, während ich schlief, Jewgenij Pawlytsch«, sagte er spöttisch. »Sie haben den ganzen Abend über die Augen nicht von mir abgewandt, ich habe es wohl gesehen ... Ah, da ist ja Rogoshin! Ich habe soeben von ihm geträumt«, flüsterte er dem Fürsten zu, indem er ein finsteres Gesicht machte und mit dem Kopf nach dem am Tisch sitzenden Rogoshin hindeutete. »Ach ja«, fuhr er, plötzlich zu etwas anderem übergehend, fort, »wo ist denn der Redner? Wo ist denn Lebedew? Lebedew ist also zu Ende? Worüber hat er denn gesprochen? Ist es wahr, Fürst, daß Sie einmal gesagt haben, die Welt werde durch die Schönheit erlöst werden? Meine Herren«, rief er allen laut zu, »der Fürst behauptet, die Welt werde durch die Schönheit erlöst werden! Und ich behaupte, daß er jetzt deshalb so leichtsinnige Gedanken hat, weil er verliebt ist. Meine Herren, der Fürst ist verliebt; vorhin, sowie er hereinkam, habe ich mich davon überzeugt. Erröten Sie nicht, Fürst, das würde mir leid tun. Was ist denn das für eine Schönheit, durch die die Welt erlöst werden wird? Mir hat Kolja das wiedererzählt... Sind Sie ein eifriger Christ? Kolja sagt, Sie bezeichneten sich selbst als Christ.«
    Der Fürst sah ihn aufmerksam an, ohne ihm zu antworten.
    »Sie antworten mir nicht? Sie glauben vielleicht, daß ich Sie sehr gern habe?« fügte Ippolit plötzlich ganz unvermittelt hinzu.
    »Nein, das glaube ich nicht. Ich weiß, daß Sie mich nicht leiden können.«
    »Wie? Selbst nach dem, was gestern geschehen ist? War ich gestern gegen Sie nicht aufrichtig?«
    »Ich wußte auch gestern, daß Sie mich nicht leiden können.«
    »Sie meinen, weil ich Sie beneide? Das haben Sie immer gedacht und denken es auch jetzt, aber... aber warum rede ich mit Ihnen davon? Ich will noch Champagner trinken; gießen Sie mir ein, Keller!«
    »Sie dürfen nicht mehr trinken, Ippolit, ich gebe Ihnen keinen mehr...«
    Der Fürst schob das Glas von ihm weg.
    »Nun gut...«, sagte er, sofort damit einverstanden, und schien in Gedanken zu versinken. »Die Leute werden womöglich noch sagen... aber was schere ich mich um das, was die Leute sagen werden! Nicht wahr? Nicht wahr? Mögen die Leute nachher reden, was sie wollen, nicht wahr, Fürst? Und was kümmert es uns alle, was nachher sein wird! ... Ich bin übrigens noch schlaftrunken. Was ich für einen schrecklichen Traum gehabt habe, jetzt fällt es mir wieder ein... Ich wünsche Ihnen solche Träume nicht, Fürst, wenn ich Sie auch vielleicht wirklich nicht leiden kann. Übrigens, wenn man jemand auch nicht leiden kann, warum soll man ihm Böses wünschen, nicht wahr? Warum frage ich nur fortwährend? Fortwährend frage ich! Geben Sie mir Ihre Hand, ich werde sie kräftig drücken, sehen Sie, so!... Sie haben mir also doch die Hand gereicht! Sie wissen also, daß mein Händedruck aufrichtig gemeint ist? ... Meinetwegen, ich werde nicht mehr trinken. Was ist die Uhr? Übrigens brauchen Sie es mir nicht zu sagen; ich weiß, was die Uhr ist. Die Stunde ist gekommen! Jetzt ist genau die Zeit. Was? Wird der Imbiß dort in die Ecke gestellt? Also bleibt dieser Tisch frei? Vorzüglich! Meine Herren, ich ... aber diese Herren hören ja alle nicht... ich beabsichtige, einen Artikel vorzulesen, Fürst; der Imbiß ist natürlich interessanter, aber...«
    Und ganz unerwartet zog er aus seiner oberen Seitentasche ein mit einem großen roten Siegel verschlossenes Kuvert in Kanzleiformat heraus. Er legte es vor

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