Justin - Geliebter Kater (German Edition)
Geliebter Kater
Er jagte! Hetzte auf dicken Samtpfoten lautlos durch den
Wald. Hohe Bäume, mit dichtem Blattwerk, gestatteten es nur vereinzelten
Sonnenstrahlen das schützende grüne Dach zu durchbrechen. Regen hatte die Luft
gereinigt, alles roch klar und frisch. Die auf den Blättern verbliebenen
Tropfen schillerten in sämtlichen Farben des Spektrums, sobald ein Lichtstrahl
sie traf.
Keinerlei Geräusche waren zu hören. Die Tiere des Waldes
schwiegen, hatten sich in ihre schützenden Bauten verkrochen. Ihn wollten sie nicht auf sich aufmerksam machen.
Hier war sein Revier! Niemandem würde er gestatten, es ihm
jemals streitig zu machen. Dieses riesige Waldgebiet gehörte ihm allein. Er
hatte gekämpft, mit Krallen und Zähnen, unter Einsatz seines Lebens. Die großen
Raubtiere waren inzwischen erfolgreich vertrieben und würden es nicht mehr
wagen, eine Tatze über die Grenzen zu setzen.
Er war ein Einzelgänger, wild und gefährlich.
Sein Rudel hatte ihn verstoßen, wollte ihn nicht mehr in den
eigenen Reihen dulden. Sie hofften wohl, er hätte sich irgendwo zum Sterben
niedergelegt. Diese Genugtuung würde er ihnen niemals gönnen. Er legte die
Ohren an, warf den majestätischen Kopf hoch und brüllte Frust und Zorn gen
Himmel. Hört ihr mich? Ich leide und bin einsam, aber ich werde nicht aufgeben!
Fünf Jahre lebte er in diesem, durch gnadenlose Kämpfe
eroberten, Gebiet. Eine warme, behagliche Höhle als Winterbehausung und ein
luftiges Baumhaus für den Sommer, nannte er inzwischen sein Eigen. Das Haus
hatte er mit eigenen Händen erbaut, die Höhle in mühevoller Kleinarbeit
erweitert, Wände einsturzsicher gemacht. Die Einrichtung hatte er ebenfalls
selbst entworfen, teilweise in Eigenregie gezimmert oder durch einen Schreiner
in der Stadt herstellen lassen.
Blitzschnell kletterte er auf einen Baum, streckte sich auf
einem dicken Ast behaglich aus, legte den großen Kopf auf die Pfoten und
träumte vor sich hin.
Die Jagd hatte er sehr genossen. In Höchstgeschwindigkeit
einen Slalom zwischen den Bäumen bewältigen, durchs Unterholz schleichen, ohne
das geringste Geräusch zu machen, an kleine Nager heranpirschen. Unterweg war
er auf eine Gruppe junger Wölfe gestoßen, hatte mit ihnen Fangen gespielt,
getollt und getobt, bis das Muttertier aufgetauchte. Misstrauisch hatte sie
ihre Kleinen in Sicherheit gebracht.
Sämtliche Gerüche des Waldes hatte er in sich aufgenommen,
den leicht modrigen des Bodens, die Frische der vom Regen gereinigten Luft. Den
Duft von Pilzen und Beeren trug er jetzt noch in der Nase. Der größte Genuss
war und blieb jedoch, als kaum wahrnehmbarer Schatten durch den Forst zu
rennen.
Dieser Wald war für ihn das Wichtigste im Leben, hier konnte
er so sein, wie er wirklich war. Ein Panther. Riesengroß. Eine Raubkatze, die
es in dieser Form auf der Welt nicht geben durfte.
Er hieß Justin und er war ein Gestaltwandler.
Unter der Woche arbeitete er in der Stadt bei einem
wissenschaftlichen Institut für alternative Energien. Den Bossen hatte er
einige Forschungsergebnisse vorgestellt, die er für die Höhle entwickelt hatte
und sie nahmen ihn mit Kusshand in ihre Reihen auf.
Justins Lebensunterhalt war gesichert und er verdiente genug
Geld, um sich das Leben bequem einzurichten. Bei der Einstellung hatte er
ausgehandelt, dass er freitags generell nicht arbeiten musste. So standen ihm
lange Wochenenden zur Verfügung, um durch den Wald zu toben. Sein Tier brauchte
einen großen Lebensraum, Freiheit, die Jagd, aber auch Ruhe und
Abgeschiedenheit. War der Panther zu lange in seinem Kopf eingesperrt,
reagierte er nervös und unzufrieden, dann hatte Justin Probleme, ihn im Zaum zu
halten.
Sanft strich der Wind durch sein lackschwarz glänzendes
Fell, wie eine zärtliche Berührung. Wohlig rekelte er sich auf dem Ast. Blätter
raschelten im leichten Luftzug. Am Himmel kreiste ein Schwarm Vögel. Eine
Gruppe Mäuse tollte unbefangen um den Baum. Sie spürten, dass er inzwischen
keine Bedrohung mehr war. Sein Jagdtrieb war befriedigt, der Panther wollte nur
noch faul dösen.
Sein Kopf ruckte hoch, die Nasenlöcher weit gebläht. Der
Wind brachte einen fremden Geruch mit sich – humanoid. Ein Mensch, so tief in
seinem Wald, das durfte nicht sein. An den äußeren Grenzen trieben sie sich hin
und wieder herum. Aber nicht hier, in der Nähe der Höhle. Vertreiben! Jagen!
Mein Revier!
Justin sprang vom Baum. Das Tier war aufgebracht, fühlte
sich in seiner Ruhe
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