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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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sah nur, wie auf einmal in Ippolits rechter Hand etwas schimmerte und wie in derselben Sekunde die kleine Taschenpistole sich dicht an seiner Schläfe befand. Keller stürzte hinzu, um ihn am Arm zu packen, aber im selben Augenblick drückte Ippolit ab. Es ertönte das scharfe, trockene Knacken des Hahnes; ein Schuß jedoch erfolgte nicht. Als Keller Ippolit umfaßte, sank ihm dieser wie bewußtlos in die Arme, vielleicht wirklich in der Vorstellung, daß er schon tot sei. Die Pistole befand sich in Kellers Händen. Man ergriff Ippolit, stellte ihm einen Stuhl hin, setzte ihn darauf, und alle umdrängten ihn, alle schrien, alle fragten. Alle hatten das Knacken des Hahnes gehört und erblickten nun einen Menschen, der lebte und nicht einmal eine Schramme aufwies. Ippolit selbst saß da, ohne zu begreifen, was vorging, und ließ wie geistesabwesend seinen Blick über alle Umstehenden hingleiten. Lebedew und Kolja kamen in diesem Augenblick wieder hereingelaufen.
    »Hat die Pistole versagt?« fragten mehrere.
    »Vielleicht war sie gar nicht geladen?« vermuteten andere.
    »Geladen ist sie!« rief Keller, der die Pistole untersuchte. »Aber...«
    »Also hat sie versagt?«
    »Es war gar kein Zündhütchen darauf«, meldete Keller.
    Es ist schwer, die nun folgende klägliche Szene zu schildern. Der ursprüngliche allgemeine Schreck wurde schnell von heiterem Gelächter abgelöst. Manche wollten sich sogar vor Lachen ausschütten und fanden darin ein schadenfrohes Vergnügen. Ippolit schluchzte krampfhaft, rang die Hände, stürzte zu allen hin, sogar zu Ferdyschtschenko, faßte ihn mit beiden Händen und schwur ihm, er habe vergessen, »ganz zufällig, nicht absichtlich vergessen«, ein Zündhütchen aufzusetzen; die Zündhütchen, zehn Stück an der Zahl, befänden sich alle in seiner Westentasche (er zeigte sie allen herum); er habe vorher keines aufgesetzt aus Besorgnis, der Schuß könne zufällig in der Tasche losgehen; er habe damit gerechnet, daß er auch später noch Zeit haben werde, sobald es nötig sei, und habe es dann plötzlich vergessen. Er stürzte zum Fürsten und zu Jewgenij Pawlowitsch hin und flehte Keller an, ihm die Pistole zurückzugeben, er werde allen sofort beweisen, daß er »Ehre im Leibe habe«... er sei jetzt »für alle Ewigkeiten entehrt«!
    Schließlich fiel er bewußtlos hin. Man trug ihn in das Zimmer des Fürsten, und Lebedew, der wieder ganz nüchtern geworden war, schickte unverzüglich zu einem Arzt, während er selbst, seine Tochter, sein Sohn, Burdowskij und der General am Bett des Kranken blieben. Als der bewußtlose Ippolit hinausgetragen war, stellte sich Keller mitten in der Veranda hin und verkündete, so daß alle es hörten, in wirklicher Begeisterung, wobei er jedes Wort einzeln und deutlich aussprach:
    »Meine Herren, wenn jemand von Ihnen noch einmal laut in meiner Gegenwart einen Zweifel äußern sollte, daß das Zündhütchen nur zufällig vergessen war, und behauptet, der unglückliche junge Mensch habe nur Komödie gespielt, so wird der Betreffende es mit mir zu tun haben.«
    Aber niemand antwortete ihm. Die Gäste entfernten sich endlich in einzelnen Gruppen. Ptizyn, Ganja und Rogoshin gingen zusammen.
    Der Fürst war sehr erstaunt, daß Jewgenij Pawlowitsch seine Absicht geändert hatte und gehen wollte, ohne sich mit ihm ausgesprochen zu haben.
    »Sie wollten doch mit mir sprechen, sobald alle fortgegangen wären?« fragte er ihn.
    »Ganz richtig«, erwiderte Jewgenij Pawlowitsch, setzte sich auf einen Stuhl und nötigte den Fürsten, sich neben ihn zu setzen, »aber ich habe meine Absicht jetzt vorläufig geändert. Ich muß Ihnen bekennen, daß ich etwas verwirrt bin, und Ihnen wird es wohl ebenso gehen. Meine Gedanken sind ganz in Unordnung gekommen; außerdem ist der Gegenstand, über den ich mit Ihnen sprechen wollte, für mich sehr wichtig und auch für Sie. Sehen Sie, Fürst, ich möchte wenigstens einmal in meinem Leben ganz ehrlich handeln, das heißt ganz ohne Hintergedanken; ich glaube aber, daß ich jetzt, in diesem Augenblick, einer ganz ehrlichen Handlung nicht fähig bin, und Sie vielleicht auch nicht ... ja ... und ... nun, wir werden uns also später aussprechen. Vielleicht gewinnt auch die Sache sowohl für mich als auch für Sie an Klarheit, wenn wir noch die drei Tage warten, die ich jetzt in Petersburg verbringen werde.«
    Darauf stand er wieder vom Stuhl auf, so daß es nicht recht verständlich war, warum er sich überhaupt hingesetzt hatte.

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