Der im Dunkeln wacht - Roman
der dunkelblauen Uniformjacke fantastisch aus. Daneben hingen ein paar kleinere Fotos von Efva, die Daniel Börjesson selbst aufgenommen hatte. Eines der Fotos zeigte Efvas Wagen. Sie lud Tüten mit Lebensmitteln aus dem Kofferraum. Ein anderes zeigte sie in Uniform beim Verlassen ihres Hauses. Tommy und Jonny traten näher heran, um die kleineren Bilder besser sehen zu können. Sie merkten nicht, dass Irene rasch zwei Fotos verschwinden ließ, die ganz zuunterst an der Pressspanplatte hingen. Die Fotos waren von ein paar leeren Flaschen, die auf dem Schreibtisch standen, verdeckt worden.
Sie stammten augenscheinlich aus der Serie derselben Aufnahme,
die der Mörder Efva zusammen mit der Chrysantheme geschickt hatte, waren jedoch, da offensichtlich zu einem späteren Zeitpunkt entstanden, noch kompromittierender als dieses. Irene wusste nicht recht, was sie mit den Fotos anfangen sollte, aber das war jetzt nicht so wichtig. Ihr einziger Gedanke war, dass sie Tommy diesen Anblick ersparen wollte. Und Jonny sollte sie schon gar nicht zu sehen kriegen! Vorsichtig ließ sie die Fotos in ihre Jackentasche gleiten. Sie zuckte zusammen, als Jonny plötzlich rief:
»Irene!«
Er drehte sich um und deutete auf ein Foto ganz unten.
»Da bist du«, sagte er.
Mit klopfendem Herzen trat sie näher.
Das Foto war vor dem Reihenhaus aufgenommen. Im Hintergrund waren das Haus und das beleuchtete Wohnzimmerfenster zu sehen. Es herrschte Dämmerung, und deswegen ließ sich nur wenig erkennen. Egon schnüffelte auf dem Rasen, und sie stand mit nachdenklich gesenktem Kopf da.
Sie wusste genau, wann er dieses Foto gemacht hatte: Vor zwei Wochen, als sich die Maklerin ihr Haus angesehen hatte. Sie hatte mit Egon einen kleinen Spaziergang gemacht. Sie erinnerte sich, dass sie in den Büschen etwas gehört hatte. Ein Ast war abgebrochen. Egon hatte Angst bekommen und nach Hause laufen wollen. Er hatte gespürt, dass sich im Dunkeln etwas Bedrohliches verbarg.
Irene musste sich räuspern, da sie nicht wusste, ob ihre Stimme ihr gehorchen würde.
»Mir ist gerade eingefallen, dass Daniel Efva tatsächlich begegnet ist«, sagte sie.
»Und wann?«, wollte Tommy wissen.
»Als ich ihn im Dezernat vernommen habe, kam sie rein und wollte von Jonny einen Autoschlüssel haben.«
»Das stimmt«, bestätigte Jonny.
»Unser Freund verguckt sich wirklich schnell in eine Frau«, stellte Tommy fest.
»Ich frage mich, warum er immer etwas älteren Frauen nachstellt? «, dachte Jonny laut nach.
Irene hatte sich diese Frage auch schon gestellt und war sich sicher, die Antwort zu wissen.
»Marie, seine Mutter, war knapp sechzehn, als sie ihn zur Welt brachte, und starb zwei Monate später. Sie wäre also heute 49. Ich glaube, es hat mit ihr zu tun.«
»Schon möglich. Aber mit dieser Frage dürfen sich die Psychiater auseinandersetzen, wenn wir ihn gefasst haben. Vermutlich reicht das Material für einen ganzen Kongress, wenn sie mit diesem Burschen durch sind. Ich schreibe ihn zur Fahndung aus. Schade, dass wir nicht wissen, was er für ein Auto fährt, aber vermutlich ist es ohnehin gestohlen«, sagte Tommy.
»Oder es handelt sich um diesen abgemeldeten Renault Express mit falschen Kennzeichen. Diese Karre hat mich eh schon die ganze Zeit irritiert«, murmelte Jonny.
Irenes Blick war mehrmals auf Arbeitskleider gefallen, die an zwei kräftigen Haken an der Tür hingen. Plötzlich realisierte sie, was da eigentlich hing. Mit ein paar Schritten trat sie heran und sah sich die Sachen näher an. Es handelte sich um eine sehr abgetragene Jacke aus dunkelblauem Nylon mit dazu passender Hose und eine dunkelblaue Schirmmütze. Die Jacke hatte einen verfilzten Fleecekragen und schadhafte Bündchen. Außerdem erkannte sie an mehreren Stellen dunkle Ölflecken. An den Jackenärmeln und Hosenbeinen waren Reflexstreifen angenäht. Auf dem einen Ärmel stand mit weißen Buchstaben »Börjessons Fahrradwerkstatt«. Unter der Jacke hing ein unerhört schmutziges Flanellhemd, das vermutlich einmal blauweiß kariert gewesen war. Auf dem Fußboden lagen ein paar alte robuste Stiefel mit Stahlkappen aus Leder.
Das war zweifellos einmal Ivar Börjessons Arbeitskleidung.
Daniels Großvater, der vor achtzehn Jahren gestorben war, hatte sie getragen.
Der Gestank der Kleider war unbeschreiblich.
Die drei Kriminalbeamten warteten vor der Garage auf die Spurensicherung. Die letzten Sonnenstrahlen des Nachmittags fielen durch die Bäume, und es wurde
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