Der italienische Geliebte (German Edition)
ein Verhältnis mit einer seiner Studentinnen angefangen. Er hatte Schluss gemacht, als Rebecca dahintergekommen war, und ihr geschworen, die Sache habe keine Bedeutung gehabt, sei einer Augenblickslaune entsprungen – das Mädchen habe sich ihm praktisch an den Hals geworfen, er habe zu viel getrunken gehabt, weiter nichts. Weiter nichts? Milos Untreue hatte ihre Welt erschüttert. Das Zerwürfnis war furchtbar gewesen und hatte schmerzhafte Wunden geschlagen, die nur langsam verheilten. Einen Monat lang sprach sie kaum ein Wort mit ihm und hatte danach noch lange Angst, ihn aus den Augen zu lassen. Das Vertrauen in ihre Anziehungskraft war dahin gewesen. Obwohl ihr nach und nach die Blicke und Aufmerksamkeiten anderer Männer bestätigten, dass sie immer noch attraktiv war (alles rein platonisch, nicht einmal ein Kuss, denn sie hatte ja nie einen anderen als Milo gewollt), blieb eine Unsicherheit. Wenn sie je wieder so tief erschüttert werden sollte, würde sie vielleicht daran zerbrechen. Von Scheidung war keine Rede gewesen, aber der Gedanke, dass er sie verlassen könnte, erfüllte sie mit abgrundtiefer Angst. Sie liebte ihn, betete ihn an, brauchte ihn. Was wäre sie ohne ihn? Sie hatte immer gewusst, dass sie nicht so gescheit und gebildet war wie Milo – und natürlich auch nicht so berühmt –, und wenn ihre einzigen Vorzüge, ihr Aussehen und ihre erotische Ausstrahlung, sich mit zunehmendem Alter verloren, warum sollte er dann bei ihr bleiben?
Irgendwie hatten sie es geschafft, die Scherben aufzusammeln und weiterzumachen. Milo war voller Reue, und Rebecca glaubte ihm schließlich, dass seine Bußfertigkeit echt war. Sechs Monate nachdem sie seinen Seitensprung entdeckt hatte, reisten sie zu einem langen Urlaub nach Frankreich, und in der sonnendurchglühten, stillen Landschaft am Lot flammte ein Funke des alten Feuers wieder auf. Bei ihrer Rückkehr waren sie scheinbar wieder die alten Rycrofts – erfolgreich, beneidet, immer noch ineinander verliebt. Aber Rebecca wusste, dass sich etwas geändert hatte. Und mit der Zeit wich Milos Reue leise schwelendem Groll. Sie passte auf. Sie war immer wachsam, obwohl sie wusste, wie sehr er es verabscheute. Sie konnte nicht anders.
Rebecca begann, sich zu schminken. Als sie noch zwanzig gewesen war, hatte sie Make-up und Puder verschmäht, jetzt aber, fand sie, brauchte sie beides. Die Augen schminkte sie sich nie, sie wusste, dass ihre langen dunklen Wimpern keine Retusche nötig hatten. Sie nahm das rote Kleid vom Bügel, schlüpfte hinein, strich den Stoff über den Hüften glatt und zog die Träger über den Schultern zurecht.
Noch ein Strich Lippenstift, dann nahm sie den Handtuchturban ab, und ihr volles dunkles Haar fiel ihr wie schwere Seide auf die Schultern.
Unten wurde eine Tür zugeschlagen, und gleich darauf rief Milo: »Hallo, Darling. Wo bist du?«
Ich mache mich für unser Fest fertig, das in fünfzehn Minuten anfängt, dachte sie wütend.
Sie hörte ihn in Sprüngen die Treppe heraufkommen. Die Tür flog auf, er sah sie an und blieb stehen.
Wo zum Teufel warst du?, wollte sie sagen, aber er kam ihr zuvor.
»Mein Gott, du siehst phantastisch aus.«
»Findest du? Gefällt es dir?«
»Es ist toll.«
Alle Zweifel an der Wahl ihres Kleides waren mit einem Schlag gestillt. Als er sie küsste, zuckte sie zurück. »Huh, bist du kalt.«
»Es ist eisig draußen.«
»Was hast du überhaupt gemacht?«
»Einen Zehn-Kilometer-Marsch«, sagte er und fügte mit einem anzüglichen Lächeln hinzu: »Um mir Appetit zu holen.«
Mit kalten Lippen liebkoste er ihren Hals. Sie lachte, leicht erregt.
»Mein Kleid…«, sagte sie, aber da hatte er sie schon in die Arme genommen. Eine Hand glitt unter das noch geöffnete Kleid. Rebecca seufzte leise.
Sie hörten es beide läuten. Doch er fuhr fort, sie zu küssen, bis sie murmelte: »Darling…«
»Ach, verdammt«, sagte er. »Das sind bestimmt Charlie und Glyn. Wie immer zu früh.«
Und sie tauschten einen Blick amüsierten Einverständnisses, die Rycrofts gegen die Welt.
Charlie und Glyn Mason kamen immer als Erste und gingen als Letzte. Milo hatte Charlie im Krieg kennengelernt. Sie waren beim selben Regiment und hatten beide das große Glück, weit hinter den Linien zu stehen, als bei Passchendaele Tausende ihr Leben ließen. Am Tag bevor ihr Regiment an die Front versetzt werden sollte, hatte Milo einen Autounfall und wurde wegen
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