Der italienische Geliebte (German Edition)
kleinen Schmierfleck darauf zurück.
»Müde?«, fragte er.
»Hm. Ziemlich kaputt. Aber es war ein gelungener Abend, findest du nicht?«
»Absolut.«
»Am Ende musste ich sie beinahe zur Tür hinausschieben.«
»Ist doch gut, wenn sie nicht genug bekommen können.«
Er zog langsam den Reißverschluss im Rücken ihres Kleides auf. Sie legte das Papiertuch weg, mit dem sie die Creme abgewischt hatte, und schloss mit einem leisen Seufzer die Augen. Einen Moment lang war er besorgt, ob er es schaffen würde, genug Interesse aufzubringen – er war müde und hatte zu viel getrunken –, aber als er die Hände unter Rebeccas Kleid schob, um ihre Brüste zu streicheln, bescherte ihm die Phantasie ein Bild der Eisläuferin vom Weiher, und er spürte erste Regungen der Lust.
Und es wurde, war das nicht wunderbar, der berauschende Abschluss eines geglückten Abends, auch dank Rebecca, die immer eine leidenschaftliche und hingebungsvolle Geliebte war. Eine Viertelstunde später lagen sie Seite an Seite in den Kissen, atemlos und gesättigt.
Als er etwas später einen Blick auf sie warf, waren ihre Augen geschlossen. Er glaubte, sie sei eingeschlafen. Leise stieg er aus dem Bett und zog seinen Morgenrock über.
Als er die Tür öffnete, fragte sie: »Wohin gehst du?«
»Mir ist ein Einfall zu meinem Buch gekommen.«
»Die Gedichte?«
»Nein, für den Roman.«
»Oh. Prima.« Sie schloss wieder die Augen.
Milo ging nach unten. Während er sich in der Küche ein Glas Wasser einlaufen ließ, gingen ihm Szenen des vergangenen Abends durch den Kopf. Er hatte beinahe einen Streit mit Godfrey Warburton gehabt, der überzeugt war, die Rassereinheit der Engländer wäre durch den Zustrom von Flüchtlingen vom Kontinent in ernster Gefahr. Als Milo ihn an die Zuwanderungswellen erinnerte, die England im Lauf der Jahrhunderte überschwemmt hatten, hatte Godfrey süffisant entgegnet: »Aber das ist Geschichte, mein Junge. Das ist etwas ganz anderes.« Die bedrohlichen Flüchtlinge, auf die Godfrey angespielt hatte, waren, wie konnte es anders sein, die Juden. Milo hätte Godfrey Warburton gern von ihrer Einladungsliste gestrichen – der Mann war ein Fanatiker und unerträglich gönnerhaft –, aber unglücklicherweise war er ein einflussreicher Mann. Er schrieb für den Listener und war oft im BBC zu hören. Ihm hatte Milo es zu verdanken, dass man ihn eingeladen hatte, an Gesprächssendungen im Radio teilzunehmen.
Milo nahm das Glas Wasser mit in sein Arbeitszimmer und setzte sich an den Schreibtisch. Ein Teil von ihm hatte den ganzen Abend auf diesen Moment gewartet, in dem er endlich ungestört über die Ereignisse des Tages nachdenken konnte. Wenn er einen bestimmten Augenblick hätte festhalten können, so hätte er jenen gewählt, als er am Rand des Wäldchens gestanden und die einsame Eisläuferin erblickt hatte. Ihr Anblick hatte ihn beinahe schmerzhaft getroffen. Sie schien ihn auf einen Mangel in seinem Leben hinzuweisen.
Nachdem sie sich von ihm verabschiedet hatte, war sie über den Weiher geglitten und dann mit vorsichtigen Schritten durch das Gras zu einer Bank gegangen, wo ein Paar pelzbesetzter Stiefel wartete. Milo hatte die Hände in die Taschen geschoben – er fror mittlerweile stark – und war um den Weiher herum zu der Bank gelaufen.
»Ich komme ziemlich oft nach London«, hatte er zu ihr gesagt. »Vielleicht können wir uns einmal sehen und ein Glas zusammen trinken, wenn Sie Lust haben?«
Sie hatte ihre Schlittschuhe aufgeschnürt, er konnte ihr Gesicht unter dem herabfallenden Haar nicht erkennen.
»Aber ja«, hatte sie dann gesagt. »Das wäre nett.«
Mit einem Gefühl freudigen Triumphs fragte er: »Und wo finde ich Sie?«
Die Schlittschuhe unter dem Arm, war sie aufgestanden. »Oh, Sie werden mich schon finden. Lesen Sie die Vogue , Mr. Rycroft.«
»Leider nicht.«
»Vielleicht sollten Sie das.« Damit war sie über das vereiste Gras davongegangen.
Milo sah ihr nach, bis sie verschwunden war, dann pfiff er Julia und trat den langen Rückweg zur Alten Mühle an. Tessa Nicolson hatte recht gehabt: Er hatte Mühe, im Dunklen den Weg zu finden. Er stolperte in ein Kaninchenloch, verknackste sich den Knöchel und verfing sich in Dorngestrüpp. Er fror so bitterlich an Händen und Füßen, dass er Angst vor Frostbeulen bekam. Die Vorstellung, sich in der Finsternis zu verlaufen, war beängstigend, und er war
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