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Der Jakobsweg

Der Jakobsweg

Titel: Der Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Rohrbach
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Lebenssituation ein Gelübde abgelegt, das erfüllt werden mußte, nachdem ihr Flehen erhört worden war. Doch was mag mich in heutiger Zeit dazu bewegen, eine Fußwanderung zum heiligen Jakobus zu unternehmen? Ausgerechnet ich, die niemals beten gelernt hat, nicht mal getauft ist und Kirchen nur betritt, um sie zu besichtigen oder gegebenenfalls darin zu übernachten? Noch weiß ich es nicht. Während der Wanderung hoffe ich mehr Klarheit zu bekommen. Ich bin aufgebrochen, um Antworten zu finden, Auskünfte über mich selbst. Was ich bin, was ich soll, wie ich weiter leben kann. Aber warum ausgerechnet eine Pilgerreise? Wenn ich Zeit zum Überlegen nötig hätte - und beim Gehen denkt es sich am besten -, könnte ich doch auch das Nordkap oder die südlichste Spitze von Europa zum Ziel wählen. Aber als ich von Santiago de Compostela hörte, stand für mich fest, das solltest du tun, da mußt du hin. Ich bin ziemlich Hals über Kopf aufgebrochen, es war schon eher eine Flucht. Am Morgen, als ich aufwachte, es war der 18. Mai, wußte ich noch nicht, daß ich gerade an diesem Tag losgehen würde. Da ahnte ich, es würde wieder einer jener schlimmen Tage werden, wie gestern und vorgestern, wie viele Tage eben. Ich würde mich tapfer an den Schreibtisch setzen und mich zum Arbeiten zwingen, aber ich würde mich nicht konzentrieren können und das, was ich dann geschrieben hätte, wäre nicht zu verwenden. Dann wieder dieses Lauern, ob das Telefon klingelt. Und wenn es tatsächlich läuten würde, dann würde ich nicht abheben aus Ärger über mich selbst, weil ich so sehr gewartet habe, und aus Furcht vor der Enttäuschung, daß es nicht der erwartete Anrufer ist. Oder ich würde selbst wählen, um, käme wirklich eine Verbindung zustande, schnell wieder aufzulegen, ohne mich gemeldet zu haben. Nein, aus diesem albernen, aber lähmenden Kreislauf mußte ich raus! Ich packte meinen Rucksack, ohne daß ich mir richtig bewußt war, wozu ich mich entschlossen hatte. Im Rucksackpacken habe ich Routine. Das kann ich fast im Schlaf, so oft habe ich das schon gemacht. Entscheidend ist, sowenig wie möglich mitzunehmen - nur das Nötigste eben. Früher war ich stolz, Riesenrucksäcke tragen zu können, die die Hälfte meines eigenen Gewichtes hatten. Doch inzwischen bin ich klüger geworden. Wandern macht einfach mehr Spaß, wenn man nicht wie ein Lastesel schleppen muß. Und es ist doch erstaunlich, mit wie wenigen Dingen man unterwegs auskommt.
    Nachdem ich mit dem Packen fertig war, bin ich mit dem Rucksack eilig zum Bahnhof und habe mir dort erklären lassen, welche Fahrkarte ich lösen muß, um möglichst nahe an die Pyrenäen nach St.-Jean-Pied-de-Port zu gelangen. Von meiner Münchner Haustür aus wollte ich nicht loslaufen. Ich hatte keine Lust, so lange in Autoabgasen und Verkehrslärm zu wandern. Im Unterschied zu Frankreich und Spanien ist der »Jakobsweg« in Deutschland nicht erhalten geblieben. Wie Schnüre, die sich zu einem Seil vereinen, ziehen sich die Wege durch Frankreich konzentrisch auf die Pyrenäen zu. In Spanien endlich, ab Puente la Reina, vereinen sich alle Wege zu einem einzigen - dem »camino de Santiago«. Für Hin- und Rückreise braucht man zu Fuß von Deutschland aus etwa vier Monate. Doch früher waren viele Pilger ein halbes Jahr und länger unterwegs, wenn sie an manchen Stationen eine ausgedehnte Andacht hielten, Umwege zu berühmten Heiligtümern einschlugen oder sich in den Hospitälern gesund pflegen lassen mußten.
    Ich konnte mich auch nicht entscheiden, die Wanderung in Frankreich schon zu beginnen, weil mir erstens nur drei französische Wörter geläufig sind und ich zweitens nicht wußte, welche der vielen möglichen Routen ich wählen sollte. Immer würde ich denken, die anderen Wege, die ich nicht ginge, wären viel schöner, aufschlußreicher und interessanter gewesen. Warum sollte ich einen auswählen und die anderen vernachlässigen? Da war es besser, dachte ich, gleich bei St. -Jean-Pied-de-Port am Fuß der Pyrenäen zu beginnen, mit einer Strecke von etwa 900 Kilometern bis Santiago de Compostela vor mir.
    Zuerst mußte ich mit dem Zug nach Paris fahren, da es leider keine Direktverbindung zu den Pyrenäen gab. Ich war nicht gerade begeistert, diese Strecke zu fahren, denn ich wollte möglichst bald mit meiner Pilgerwanderung beginnen und hatte mich voll auf Spanien eingestellt.
    Es war schon spät am Nachmittag, als ich in München losfuhr. Glücklicherweise fand ich ein

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