Der Jakobsweg
kleidete. Gegen Wetterunbilden schützte ein dicker Umhängemantel, die Pelerine, und auf dem Kopf ein breitkrempiger Filzhut, der mit der Pilgermuschel verziert war.
Sie war vom Beweisstück sehr schnell zum Symbol geworden und man trug sie bereits beim Aufbruch. Der Beutel über der Schulter oder die Ledertasche mit langen Riemen war ebenfalls mit Muscheln besetzt. Wichtig war auch der Pilgerstab. Er diente als Stütze, zur Verteidigung, als Hilfe beim Überqueren von Bächen, zum Herabschlagen der Früchte von Bäumen, außerdem hing an ihm die Kalebasse als Trinkgefäß.
Ich will mich auf den Pilgerweg noch mehr einstimmen und hole aus dem Rucksack die Aufzeichnungen über Jakobus und die Entdeckung seines Grabes. Ich lese, wie Jakob der Ältere am See Genezareth in Galiläa als Sohn des Fischers Zebedäus und der Salome, einer Verwandten Marias, geboren wurde. Gemeinsam mit seinem Bruder Johannes wurde er später einer der zwölf Apostel von Jesus Christus. Schon bald nach dem Tod Christi soll er in Spanien, damals eine römische Provinz, missioniert haben. Sein Bemühen war erfolglos, deshalb kehrte er wieder nach Jerusalem zurück und nahm dort in der Gemeinde der Christen eine hohe Stellung ein. Wahrscheinlich stärkte er die Position der Christen so sehr, daß er für den jüdischen Hohenpriester Abjathar eine Gefahr war. Von Haß und Neid erfüllt, sann Abjathar, wie er den Christen unschädlich machen könnte. Schließlich gelang es dem Hohenpriester, einen Aufstand im Volk anzuzetteln. Nach Niederschlagung der Revolte beschuldigte er Jakob als Rädelsführer, ließ ihm einen Strick um den Hals legen und Herodes Agrippa, dem römischen Statthalter, vorführen. Herodes Agrippa fällte im Jahr 44 das Todesurteil, und Jakob wurde enthauptet. Soweit die historisch nachvollziehbaren Vorgänge. Nun beginnt das Feld der Legenden: Eine berichtet, der Leichnam sei in der Nacht von seinen Anhängern entwendet und ans Meer gebracht worden. Dort hätte schon ein Schiff gewartet. Als der Tote hineingelegt wurde, sei es losgefahren und von himmlischen Kräften an die spanische Küste geleitet worden. Eine andere erzählt, seine Jünger Theodorus und Athanasius hätten den Toten mit einem Boot von Jerusalem bis zum fernen Galicien gebracht. Damals war der Reiter ins Meer gesprungen und mit Muscheln überdeckt wieder aufgetaucht. Schwere Prüfungen mußten Theodorus und Athanasius über sich ergehen lassen, bis sie den Heiligen endlich bestatten konnten. Die heidnische Königin Lupa stellte ihnen unlösbare Aufgaben. Aber der tote Jakob stand den beiden Männern bei. Er half ihnen, einen Drachen zu töten, und zähmte wutschnaubende Stiere. Athanasius und Theodorus sollen treu das Grab bewacht und nach ihrem Tod neben dem Heiligen bestattet worden sein. Diesen Legenden kann man zwar keine beweiskräftigen Tatsachen entgegenhalten, dennoch gibt es Hinweise, Jakobus sei zuerst in Jerusalem begraben worden. Im 6. Jahrhundert wurde die Reliquie vermutlich auf der Halbinsel Sinai im Kloster Raithin aufbewahrt. Zuletzt soll sie im Menaskloster bei Alexandria gewesen sein, aus dem die Mönche im 7. Jahrhundert vor den Arabern flüchten mußten. Nirgendwo ist in den alten Schriften vermerkt, daß Jakob der Ältere in Spanien, der damaligen römischen Provinz, missioniert hätte. Erst im 8. Jahrhundert gibt es Schriftstücke mit dieser Darstellung, wobei man sich sehr geschickt auf ältere Autoren beruft, etwa auf den heiligen Hieronymus, der um 390 lebte, in dessen Originalschriften aber eine Missionstätigkeit des Apostels nicht erwähnt wird. Was auch immer die Wahrheit ist, fest steht, die wundersamen Legenden hatten mehr Einfluß auf das Denken und Handeln der Menschen des Mittelalters als die historischen Wahrheiten.
Ebenso sagenumwoben wie die Grablegung war auch die Entdeckung des Grabes selbst im 9. Jahrhundert: Einmal soll es ein Hirte gewesen sein, der Nacht für Nacht von seltsamen Lichterscheinungen, begleitet von betörender Musik, aufgeschreckt wurde. Schließlich ertrug der Hirt die merkwürdigen Vorgänge nicht mehr und berichtete dem Bischof davon. In einer anderen Legende sah der Eremit Pelagius nachts Lichtschein und hörte Engelschöre. Um das Jahr 825 erfuhr der Bischof Theodomir von Iria Flavia von den merkwürdigen Ereignissen. Iria Flavia ist heute eine kleine Küstenstadt der Provinz Galicien, die in Padrón umbenannt wurde. Dort soll der Legende nach das Boot mit dem Leichnam und den zwei
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