Der Jüngstre Tag
Meter fünfzig groß und ein paar Jahre jünger als sein Cousin Mark, sah aber älter aus. Die unaufhörlichen Schmerzen in seinem Bein, das er sich als Jugendlicher bei einem Motorradunfall verletzt hatte, forderten ihren Tribut. Haar und Bart waren vollständig ergraut. Seine jugendlichen Söhne, Luke mit dem kindlichen Gesicht und Robert, der ständig finster dreinblickte, saßen neben ihm.
»Wir könnten ein großes Feuer anzünden. Alle Überlebenden, die den Rauch sehen, werden zu uns kommen«, sagte Marks Neffe Fergus Steed. Er lag mit Allisons Tochter Jessica, seiner Cousine und Freundin, in der Koje unter dem Cockpit und lauschte dem Gespräch, das durch die geöffnete Tür drang.
»Wir müssen so schnell wie möglich nach Gulf Harbour zurückkehren. Ich weiß es einfach«, beharrte Steven.
»Ich finde, Steven hat recht«, sagte Stevens Freundin Penny Morgan und wandte sich Mark zu. »Du möchtest doch auch Jane und deine Enkel wiedersehen, nicht wahr?« Penny war nachts, wenn sie neben Steven schlief, schon oft durch seine Schreie im Schlaf geweckt worden. Ihn quälte immer derselbe Albtraum – seine Schwester Jane, die er in Neuseeland zurückgelassen hatte, war in einen Strudel geraten, streckte die Hand aus und rief nach ihm, doch er konnte sie nicht erreichen.
Mark entging der Vorwurf nicht. Natürlich wollte er Jane unbedingt wiedersehen ebenso wie seine drei Enkel, seinen Bruder Christopher und dessen Familie. Doch fand er es trotzdem sinnvoll, auf dem Heimweg in Brisbane anzulegen. »Natürlich will ich sie sehen, doch es dauert sowieso ein paar Wochen, ehe wir zu Hause ankommen. Auf ein paar Tage mehr oder weniger kommt es nicht an. Wenn irgendwelche Nachkommen von Onkel William überlebt haben, müssen wir es wissen. Wir brauchen alle Menschen, die wir auftreiben können, wenn wir überleben wollen.«
»Wir können auch später nach Brisbane segeln«, beharrte Steven.
»Das würde bedeuten, dass wir unsere Kräfte aufteilen müssten, und das wäre ein zusätzliches Risiko.«
»Wir sollten abstimmen«, schlug Allison leise vor. Mark schaute zu ihr hinunter. Obwohl sie eines von Marks T-Shirts und eine zerrissene Shorts trug, verstrahlte sie eine gewisse Eleganz. Mark liebte sie zwar sehr, doch ihr Vorschlag gefiel ihm nicht. Er glaubte fest daran, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er Steven auf seine Seite ziehen konnte. Normalerweise gelang ihm das immer.
»Gute Idee«, meinte Fergus. »Ich stimme für Brisbane.« Mark war erleichtert. Fergus hatte diese Reise als seine und Jessicas »Hochzeitsreise« deklariert, nachdem nun alle von der Beziehung wussten. Zweifellos stellte er sich vor, dass eine Reise nach Brisbane Gelegenheit zu romantischen Spaziergängen Hand in Hand und zärtlichem Sex am Sandstrand bot.
»Ich schließe mich Steven an. Wir sollten auf direktem Wege nach Gulf Harbour fahren«, warf Penny schnell ein.
»Ich auch«, sagte Adam. Die schlingernden Bewegungen der Jacht verschlimmerten die Schmerzen in seinem Bein, wie Mark wusste, und ihm war es sicher lieber, wenn die Reise so schnell wie möglich zu Ende war. Mark spürte, dass ihm die Situation entglitt. »Was ist mit dir?«, fragte er Allison in der Hoffnung, das Gleichgewicht wieder herzustellen.
Sie schaute auf den Boden des Cockpits. »Ich enthalte mich. Ich möchte weder nach Brisbane noch nach Gulf Harbour«, sagte sie und brach in Tränen aus. »Ich möchte zurück nach England. Ich mache mir Sorgen um meine Mutter.«
Mark sah sie ungläubig an. Wie konnte sie den Wunsch haben, zurück nach England zu fahren und sich erneut Nigels Tyrannei auszusetzen, der sie gezwungen hatte, ihm als Ehefrau zu dienen? Wo doch in Neuseeland mit ihm an ihrer Seite ein neues Leben auf sie wartete! Erst heute Morgen hatten Fergus und Jessica, Steven und Penny sowie er und Allison bei Sonnenaufgang im Cockpit beieinandergestanden und einander in einer einfachen Ehezeremonie die Treue geschworen.
Für den Bruchteil einer Sekunde verspürte er Groll. Liebte sie ihn wirklich? Waren Blutbande stärker als der Ehebund?, fragte er sich, doch sofort bekam er Gewissensbisse. »Deiner Mutter geht es gut«, sagte er leise. »Warren und Charlene kümmern sich um sie.«
»Ich bin für Brisbane«, sagte Robert.
»Ich auch«, fügte sein Bruder Luke hinzu. Die beiden jüngeren Daltons hatten Mark über die Überlebenden in Neuseeland ausgefragt. Daher wussten sie, dass sie in Gulf Harbour nur kleine Kinder und Tanten, die in ihren
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