Der Jukebox-Mann
Licht vom Fenster des Cafés. Auf dem Autodach lag ein gelber Schatten, der von der beleuchteten Brezel kam, die über Lisas Tür hing.
»Die ist schon kaputt«, sagte er.
»Ich hab noch einen Rest vom Karlsbader Kranz«, sagte sie. »Und der Kaffee ist ziemlich frisch. Das bisschen, was noch übrig ist, ich hab zum Schluss nicht mehr viel gekocht.«
Er nickte. Sie brauchte ihm nicht zu erklären, wie viel Kaffee sie in der großen, silber glänzenden Kaffeemaschine in der Küche kochte. Aber Elisabeth erzählte gern, ohne dass man sie fragte. Einmal hatte sie gesagt, in Russland habe man wahre Monster von Kaffeemaschinen, aber in ihnen würde Tee gebrüht. Sie hatte den Namen von dem russischen Ding genannt, aber der fiel ihm nicht mehr ein.
»Ruhiger Abend?«, fragte er.
»Es ist zu warm«, sagte sie.
»Das stimmt nicht.«
»Was stimmt nicht?«
»Es ist nicht die Wärme. Die Leute sitzen zu Hause, oder? Sie hocken drinnen, glotzen auf die Mattscheibe, hören sich das dritte Programm an oder das, was ihre kleinen mickrigen Plattenspieler hergeben.«
»Du erwartest doch wohl nicht, dass jeder eine Jukebox zu Hause hat, Johnny?«
»Darum steht ja dort eine.« Er nickte zum Café und merkte, dass er lächelte, obwohl er es nicht wollte. »Dann brauchen sie zu Hause ja keine Jukebox, oder?« Er nickte wieder zum Raum hin. »Was hast du heute Abend zu hören bekommen?«
Sie antwortete nicht, bückte sich stattdessen und holte den Kranz aus einem der Borde in der gläsernen Theke und legte ihn auf ein Stahltablett.
»Gar keine?«, fragte er.
» The Thrill Of Your Love «, antwortete sie.
»Wer hat das gewählt?«
»Wie viel möchtest du?«, fragte sie und hielt das Tablett mit dem Kranz hoch. »Vielleicht die Hälfte?«
»Du, nicht wahr?« Er schüttelte den Kopf. »Ich muss die Gratistaste ausbauen.«
Sie stellte das Tablett auf den Tresen und ging durch die Türöffnung in den Caféraum. Er sah sie vor der Jukebox stehen. Ihr Gesicht war schön in dem weichen Licht der Titelstreifen, ein goldenes, ein grünes Licht. Es war eine schöne Box, Wurlitzers Jubiläumsmodell von sechsundfünfzig, eine 1900er, ein 104-Wähler, und sie drückte auf eine dieser hundertvier Wahltasten, und Johnny wusste, dass sie B21 gewählt hatte, bevor der erste Pianoanschlag ertönte. Dann drehte sie sich um und mit dem Tortenheber als Mikrophon vorm Mund imitierte sie stumm die Worte I’d rather give everything that I own in this world, than to be all alone, and unloved, und er schnippte den Gospeltakt mit den Fingern und tanzte auf sie zu. Der Raum wurde ein anderer innerhalb dieser zwei Minuten und zweiunddreißig Sekunden, das war genau die Zeit, die nötig war, um grauen und blauen Alltag in etwas anderes zu verwandeln, denn alles, was zu sagen oder zu tun war, konnte innerhalb von zwei Minuten und zweiunddreißig Sekunden geschehen oder wenigstens innerhalb der drei Minuten, die eine Single sich drehte, das reichte, und alles konnte passieren.
Elisabeth begleitete ihn zum See. Er hatte sie gefragt, und sie hatte ganz einfach und selbstverständlich ja gesagt.
Im Auto nahm er ihren Duft wahr, ein Geruch, schwach und weich von Blumen und etwas Süßerem von dem Backwerk aus Lisas Café, ein Duft nach Vanille. Leute, die in Konditoreien und Cafés arbeiteten, trugen verschiedene Versionen dieses Duftes mit sich herum.
Elisabeth sah schweigend zum offenen Autofenster hinaus. Er hatte die Müdigkeit in ihren Augen gesehen und einen matten Schimmer über ihrer Stirn, der nicht nur vom grellen Licht im Lokal herrührte. Sie hatte die Haare mit einer müden Bewegung hinter das eine Ohr geschoben, wie im Zeitlupentempo.
Er nahm den Waldgeruch durchs Fenster wahr, wie eine dunklere Version der Düfte von den Feldern, feuchter, grüner. Der Sommer konzentrierte sich im Abend, und der Abend konzentrierte sich im Wald. Wenn er Waldesduft roch, besonders abends, dachte er an seine Kindheit. Sie hing mit dem Wald zusammen, hing zusammen mit Abend und Dunkelheit. Er wollte nicht daran denken. Er wollte raus aus dem Wald, und hier ging das schnell, da der Wald nicht mehr war als ein kleiner Hain zwischen Abzweigung und See.
Schon aus fünfhundert Metern Entfernung sahen sie die Laternen der Tanzfläche. Es sah aus wie ein Lager. Der See blinkte wie ein Feld aus Silber und Eisen.
»Was macht Lennart heute Abend?«, fragte er.
»Er ist bei einem Freund in der Sommerhütte.«
»Mhm.«
»Nur eine Nacht«, sagte sie. »Ich
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