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Der Junge, der es regnen liess

Der Junge, der es regnen liess

Titel: Der Junge, der es regnen liess Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Conaghan
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nicht aus der Geisterbahn oder so, aber sie hatte an der Schule schon ein bisschen einen Ruf weg. Die Knirpse aus der Siebten und Achten riefen ihr immer hinterher: »Cora Kelly, Cora Kelly, bläst dir einen auf die Schnelli.«
    Aber wenn man den ganzen Geschichten glaubt, dann könnte man schon denken, Cora würde … na ja … eben jede Nacht mit einem anderen Typen pennen. Von einem weiß ich wirklich, dass er mit ihr gepennt hat, weil er es überall rumgeschrien hat. Er spielt in meinem Fußballteam. Nee, ein Freund von mir ist der nicht, er ist ein ziemlicher Loser, um die Wahrheit zu sagen. Nein, das ist ein Team außerhalb der Schule. Er geht zum College oder zur Uni oder was weiß ich. Er hatte keine Ahnung, dass ich Cora kannte. Das hat mich jedenfalls von ihr abgebracht. Klar, okay ist Cora schon, man kann sich manchmal ganz gut mit ihr amüsieren, aber auf keinen Fall würde ich mit ihr was anfangen. Auf keinen Fall.
    Ich bin bloß froh, dass ich von dem ganzen Haufen Abstand gehalten hab.
    Sie können sich echt nicht vorstellen, wie froh ich bin.
     

 
    Mr Goldsmiths Verwunderung
    Das ist alles extrem verstörend, wie soll man einen solchen Vorfall nur begreifen? Für einen Lehrer ist es einer der schlimmsten Albträume, die er sich vorstellen kann. Es ist diese komplette Verschwendung, die mich so furchtbar traurig macht. In unserem Beruf verfügen wir zuweilen über die Fähigkeit, Dinge vorauszusehen, Hypothesen aufzustellen und präzise Voraussagen über unsere Schüler zu treffen. Aber so etwas? Das passiert doch nur anderen!
    Ich hatte nicht die geringste Ahnung, keine Spur. Selbst wenn ich tief in den verborgensten Kammern meiner Erinnerung grabe, was ich kürzlich getan habe, gibt es keinen Hinweis, keine Andeutung, keine Vermutung, die ich anführen oder der ich Bedeutung verleihen könnte. Wenn überhaupt, dann bringt es mich dazu, die Bedeutung des eigenen Berufs anzuzweifeln und mich zu fragen, wie qualifiziert man überhaupt dafür ist. Ich kann Ihnen versichern, ich habe mich zu diesem Thema viele Male selbst hinterfragt. Um die Wahrheit zu sagen, das Ganze macht mich fassungslos.
    Mir war bewusst, dass Clem nicht allzu begeistert von der Vorstellung war, nach Norden zu ziehen. Aber nun gut, wer wäre das in seinem zarten Alter schon? Er musste all seine Freunde zurücklassen, seine Schule und im Grunde genommen sogar seine Kultur. Nur ein äußerst entschlossener, willensstarker junger Mensch würde mit einem so drastischen Einschnitt in seinem Leben fertig werden.
    Verstehen Sie mich nicht falsch, es war auch nicht so, dass ihm vor der Vorstellung graute. Ich hielt ihn für einen jungen Kerl voller Fernweh und Neugier. Ich erinnere mich an ein Gespräch, das wir über die Situation, die ihm bevorstand, führten. Darin ermutigte ich ihn ganz offen, sein neues Leben in Glasgow als eine Art anthropologisches Abenteuer zu betrachten. In meinen Augen war solche Beratung, wenn Sie es als solche bezeichnen wollen, ein unverzichtbarer Bestandteil meines Berufs. Ich nehme an, in vielerlei Hinsicht habe ich in diesem Punkt versagt. Dementsprechend habe ich meine eigene Prognose verflucht.
    Oh ja! Ein Musterschüler. Ein Musterschüler. Er – so wie eine ganze Menge meiner anderen Schüler – hungerte in beeindruckender Weise nach Wissen. Er verschlang Bücher, alle Arten von Literatur. Wie viele Jungen seines Alters zeigte er sich begeistert von den Arbeiten der Beat Generation, aber er beschränkte sich nicht darauf. Er näherte sich dem Werk dieser Dichter mit großem Eifer. Bemerkenswert war, dass er nicht den Fehler machte, den so viele andere im Laufe der Jahre begangen haben: Er hielt keine schwärmerischen Reden auf die Gedichte oder die Dichter. Er respektierte die Texte, ganz ohne Frage, aber er war zugleich aufgeweckt genug, sich durch einen kritischen Blick von den Werken zu distanzieren. Er konnte wirkungsvoll in Worte fassen, warum ihm ein bestimmtes Buch oder ein Gedicht gefiel. Und genauso, warum es ihm nicht gefiel.
    Oh, ich muss mich entschuldigen. Diese ausufernde Begeisterung ist eine unerträgliche Angewohnheit, die ich mir im Laufe der Jahre zugelegt habe. In vielen meiner Klassen habe ich damit für enorme Heiterkeit gesorgt. Aber wie kann ich hoffen, in meinen Schülern Leidenschaft zu wecken, wenn ich selbst keine erkennen lasse? Um meiner Frau willen bin ich jedoch froh, sagen zu können, dass sich diese Angewohnheit nicht auf das Familienleben erstreckt.

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