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Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen

Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen

Titel: Commissario Montalbano 05 - Das Spiel des Patriarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Eins
    Er war wach, was er daran merkte, dass sein Kopf bei klarem Verstand war und nicht dem absurden Labyrinth des Traums folgte, dass er das gleichmäßige Schwappen des Meeres hörte, dass der leichte Wind des frühen Morgens durch das offene Fenster hereinzog. Aber er hielt hartnäckig die Augen geschlossen, denn er wusste, die ganze schlechte Laune, die in ihm rumorte, würde sich entladen, sobald er die Augen öffnete, und ihn dann Schwachsinn tun oder reden lassen, den er hinterher nur wieder bereute.
    Er hörte jemanden, der am Strand entlanglief, vor sich hin pfeifen. Um diese Uhrzeit sicher jemand, der nach Vigàta zur Arbeit ging. Montalbano kannte die Melodie, aber er erinnerte sich weder an den Titel noch an den Text. Wozu auch? Er hatte noch nie pfeifen können, nicht mal, wenn er sich einen Finger in den Hintern steckte.
    »Da sitzt er auf dem Klo / steckt sich den Finger in den Po / sein schriller Pfiff ist das Signal / für die Polizisten überall …« Dieses alberne Liedchen hatte ihm ein Mailänder Freund aus der Polizeischule manchmal vorgeträllert, und es war ihm im Gedächtnis geblieben. Und eben weil er nicht pfeifen konnte, war er in der Volksschule das bevorzugte Opfer seiner Schulkameraden gewesen, die wahre Meister darin waren, wie ein Schäfer, ein Matrose, ein Bergbewohner zu pfeifen, und groteske Variationen dazu boten. Seine Kameraden! Jetzt wusste er, was ihm die schlechte Nacht beschert hatte! Die Erinnerung an die Genossen und die Zeitungsmeldung, die er kurz vor dem Schlafengehen gelesen hatte, dass Dottor Carlo Militello, noch keine fünfzig Jahre alt, zum Direktor der zweitwichtigsten Bank der Insel ernannt worden war. Die Zeitung sprach dem neuen Direktor die herzlichsten Glückwünsche aus und brachte auch ein Foto von ihm: die Brille bestimmt aus Gold, Designeranzug, tadelloses Hemd, erlesene Krawatte. Ein arrivierter Mann, ein Mann der Ordnung, Hüter der großen Werte (sowohl der Börse als auch der Familie, des Vaterlandes, der Freiheit). Montalbano erinnerte sich gut an ihn, der nicht sein Klassenkamerad, sondern sein lieber Genosse von 68 gewesen war!
    »Wir werden die Feinde des Volkes an ihren Krawatten aufhängen!«
    »Die Banken sind nur zum Ausrauben da!«
    Carlo Militello, genannt »Karl Martell«, der Hammer, in primisi weil er sich als Anführer aufspielte, in secundisi weil er seine Gegner mit Worten wie Hammerschläge und mit Hieben schlimmer als Hammerschläge bedachte. Er war so unnachgiebig, so stur wie kein anderer, verglichen mit ihm hätte der bei den Demos so viel beschworene Ho Chi Minh wie ein sozialdemokratischer Reformist gewirkt.
    Er hatte alle gezwungen, keine Zigaretten zu rauchen, um das Staatsmonopol nicht zu bereichern, Joints und Tüten schon, nach Belieben. Er erklärte, Genosse Stalin habe nur einmal in seinem Leben richtig gehandelt: als er anfing, Banken auszurauben, um die Partei zu finanzieren. »Staat« war ein Wort, bei dem allen schlecht wurde, das sie in Rage versetzte wie einen Stier das rote Tuch.
    Aus jenen Tagen erinnerte sich Montalbano vor allem an ein Gedicht von Pasolini, das die Polizei gegen die Studenten von Valle Giulia in Rom in Schutz nahm. Alle seine Genossen hatten diese Verse verachtet, er hatte versucht, sie zu verteidigen: »Aber es ist ein schönes Gedicht.« Beinah hätte Karl Martell, wenn sie ihn nicht festgehalten hätten, ihm mit einem seiner mörderischen Faustschläge das Gesicht zertrümmert.
    Warum missfiel ihm dieses Gedicht damals nicht? Sah er in ihm schon sein Schicksal als Bulle vorgezeichnet? Wie auch immer, im Lauf der Jahre hatte er zugesehen, wie seine Genossen, diese legendären Genossen von 68, anfingen, »vernünftig« zu werden. Sie waren immer vernünftiger geworden, und so war ihre abstrakte Wut dahingeschwunden und hatte sich in konkrete Angepasstheit verwandelt. Und jetzt hatten sich die, die noch übrig waren - abgesehen von einem, der seit über zehn Jahren mit großer Würde Prozesse und Haft wegen eines Verbrechens durchstand, das er bekanntlich weder begangen noch in Auftrag gegeben hatte, und abgesehen von einem weiteren, der unter ungeklärten Umständen ermordet worden war - fabelhaft eingerichtet, wobei sie von links nach rechts, dann wieder nach links und dann wieder nach rechts sprangen, man gab eine Zeitung heraus, leitete einen Fernsehsender, war Manager in einem Staatlichen Unternehmen geworden, Abgeordneter oder Senator. Da es ihnen nicht gelungen war, die Gesellschaft zu

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