Der Junge, der es regnen liess
Leidenschaft ist wichtig. Und doch gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen Leidenschaft und – nun ja, Leidenschaft. Eine spürbare Zweiteilung. Aber ich schweife ab – entschuldigen Sie.
Es war eine Freude, ihn zu unterrichten. Eine Freude. Er beteiligte sich mit vollem Einsatz am Unterricht, immer aktiv, immer beständig in dem, was er einbrachte.
Das ist alles unvorstellbar, finden Sie nicht?
Beim Versuch, einen akzeptablen Grund zu finden, kann ich nur vermuten, dass vielleicht zu viele meiner Unterrichtsstunden eher zu männlich ausgerichtet waren, aggressiv und erfüllt von Testosteron. Ich beziehe mich damit auf die Autoren und die Literatur, mit der wir uns beschäftigten. Ich habe mir daher die Frage vorgelegt: Habe ich damit unbewusst das Weibliche zum Objekt gemacht und auf diese Weise männliche Fähigkeiten und Macht überhöht? Wenn das der Fall ist, dann erkenne ich meine Verantwortung in vollem Umfang an und nehme sie auf mich. Mea Culpa, wie man so schön sagt.
Außerdem frage ich mich auf einer eher philosophischen Ebene: Ist jemand von Geburt an schlecht oder ist es einfach nur eine Frage von Veranlagung oder Erziehung? Darin steckt zweifellos Stoff zum Nachdenken. Was soll aus unseren Bildungsstrukturen werden? Aus unserer beruflichen Integrität? Natürlich bin ich kein Experte für das Bildungssystem in Schottland, aber ich bin noch immer ratlos, wie so etwas passieren konnte. Genau genommen bin ich eher fassungslos und traurig als ratlos. Diese Verschwendung von Hoffnungen und Zukunftsplänen – ja, ich bin traurig.
Mr Cunninghams Misstrauen
Hören Sie, ich bin kein Idiot. Ich kann Ihnen mit ziemlicher Sicherheit erzählen, was Pauline Croal ausgesagt hat. Natürlich nicht wortwörtlich, aber ich wette, ich komme dem Kern ziemlich nahe. Dass wir alle ein Haufen unfreundlicher Langweiler sind, festgefahren in unseren Methoden und ohne die geringste Begeisterung, was unseren Beruf betrifft. Als Fachbereichsleiter für Englisch, als der ich seit Jahren an dieser Schule fungiere, habe ich das schon oft genug gehört. Ich würde gern sehen, in welchem Zustand sie selbst nach ungefähr fünf Jahren in dem Job ist.
Gott im Himmel, diese neuen Lehrer bringen mich zum Lachen. Sie kommen hier hereingetanzt, solange ihre glänzenden Lehramtsdiplome in ihren Taschen noch warm sind, bringen ihre revolutionären Methoden mit und haben die Köpfe voller Ideologien. Und das Erste, was sie dann tun, ist, aus vollem Halse zu zetern, jeden anzubellen, der das Pech hat, irgendwo in ihrer Nähe zu stehen. Sie besitzen die Frechheit, mit dem Finger auf Menschen mit langjähriger Berufserfahrung zu zeigen, auf Lehrer, geschätzte Kollegen, die sich ihren Weg durch die turbulenten Siebziger und Achtziger schlagen mussten und am anderen Ufer wieder herausgekommen sind – nicht unbeschädigt, aber nichtsdestotrotz fähige Individuen.
Natürlich sind manche von ihnen verbittert und zermürbt, aber nach Jahren des Kampfes haben sie ja wohl das Recht, es zu sein, oder etwa nicht? Ihre Schuld ist es schließlich nicht, oder was meinen Sie? Erwarten Sie nicht von mir, dass ich mich hier hinsetze und irgendeine Art von Selbstgeißelung betreibe, denn das werde ich nicht tun.
Gott im Himmel, nein, ich will nicht andeuten, das sei eine Entschuldigung für das, was geschehen ist!
Pauline Croal war sehr fleißig. Sie war in der Lage, eine Klasse zu führen, und das ist womöglich die größte Sorge, die man hat, wenn die Neulinge hier hereinfluten. In dieser Beziehung hatte ich nicht die geringsten Bedenken, ganz und gar nicht. Als Fachbereichsleiter können einem die Referendare zuweilen Kopfschmerzen bereiten, aber sie kam vom ersten Tag an bewundernswert zurecht. Von den Schülern habe ich nie irgendwelche negativen Bemerkungen gehört. Allerdings hörte ich genauso wenig irgendwelche positiven.
Sie war eine fähige Lehrerin, das war offensichtlich. Persönlich war sie mir ein bisschen zu hochnäsig und distanziert.
Zweifellos hielt ich sie für eine attraktive junge Frau, ich denke, das ging den männlichen Lehrern und den männlichen Schülern ebenso. Nichtsdestotrotz wünsche ich keine Unterstellungen. Ich bin ein verheirateter Mann. Glücklich verheiratet.
Wenn ich mir eines durch die Erfahrung in diesem Beruf angeeignet habe, dann ist es ein recht gutes Urteilsvermögen, was den menschlichen Charakter betrifft, und ich sage Ihnen eines: Ich traute ihr nicht. So einfach ist das. Ich habe
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