Der Junge, der es regnen liess
keine Ausnahme. Es ging ihnen gut zusammen. Sie waren ein schönes Paar. Das Einzige, was mir wegen dieser Beziehung Sorgen machte, war, dass Clem mir erzählte, er würde nach England zurückgehen, wenn er mit der Schule fertig wäre. Ich weiß nicht mehr genau – woher kam er noch mal? Eastbourne? Nun ja, ich nahm an, dahin wollte er dann wohl zurückgehen.
Natürlich wollte ich nicht, dass meine Rosie nach England ging, also hoffte ein Teil von mir, dass die Beziehung zerbrechen würde. Das ist egoistisch, ich weiß. Aber Rosie und ich, wir haben nur uns beide. Eigentlich war es schon immer so. Seit Rosies Vater hat es für mich niemanden mehr gegeben. Aber ganz egal, was ich empfand oder was ich mir heimlich wünschte, ich wollte nicht, dass die Sache auf die Weise kaputtging, auf die es dann passierte. Niemals hätte ich so etwas erwartet. Keine Mutter würde sich so etwas wünschen. Überhaupt kein Mensch würde sich so etwas wünschen.
Bei dem, was passiert ist, wünsche ich mir jetzt, ich hätte keine andere Sorge gehabt, als dass sie nach England gehen könnte. Ich habe mich immer für eine ganz gute Menschenkennerin gehalten, aber wie sehr habe ich mich geirrt!
Pauline Croals erster Eindruck
von Clem
Clem war ein willkommener Neuzugang in meiner Klasse, denn er war zuallererst einmal an dem Fach interessiert und legte Eifer und Wissensdurst an den Tag. Offenbar hatte er dort unten im Süden eine gute Schulbildung genossen. Man hatte ihm gutes Benehmen beigebracht.
Ich denke, über das Niveau seiner Klassenkameraden war er ziemlich frustriert. Vielleicht nicht so sehr von dem Niveau an sich, sondern von der Apathie, die ihn umgab. Bevor Clem in die Klasse kam, fanden Diskussionen und Debatten praktisch nicht statt. Die Schüler beschränkten sich auf Fragen wie: »Was heißt denn das, Miss?« oder: »Warum sagt der denn das, Miss?« Nicht gerade spannend, fürchte ich. Mit dem Niveau der Fragen, die er stellte, war Clem allen anderen in der Klasse meilenweit voraus. Ich war froh, ihn dabeizuhaben.
Ja, ich denke, er wurde einer meiner Lieblingsschüler. Jeder Lehrer, der Ihnen erzählt, er habe keinen Lieblingsschüler, lügt. Für gewöhnlich ist es ein Schüler, der sehr gute Leistungen erzielt und dessen Benehmen keine Probleme verursacht. Meiner Erfahrung nach setzen gewisse Leute eine ordentliche Disziplin mit guten Lehrmethoden gleich. Natürlich hängt beides zusammen, aber jeder von uns kann ein paar Erstklässler so erschrecken, dass sie sich unterwerfen, ohne ihnen irgendwas beizubringen. Ich muss sagen, eine Menge Lehrer macht es so. Das Problem ist: Sie halten sich für gute Lehrer. Nach meiner Meinung allerdings sind sie nichts anderes als faule Lehrer. Sie haben Angst vor Veränderungen, Angst, von ihrem Sockel gestoßen zu werden oder zu erleben, wie ihr Wissen infrage gestellt wird. Oder sogar angezweifelt.
In gewisser Weise fühlte ich mich einigen meiner Schüler näher als manchen meiner Kollegen. Ein Grund dafür mag der Altersunterschied sein. Ich stehe den Schülern im Alter näher als der überwältigenden Mehrheit meiner Kollegen. Ich mag Teenager. Nun ja, vor allem, weil sie eine Dynamik und Lebenslust an sich haben, die sich auf mich überträgt. Vielleicht habe ich meine eigenen Teenagerjahre unfreiwillig verpasst. Nein, ich sehne mich nicht danach. Ich habe nicht den Wunsch, diese Jahre noch einmal zu erleben. Unter keinen Umständen. Ich versuche lediglich zu sagen, dass ich der Meinung bin, Lehrer sollten Teenager wirklich mögen. Sie sollten Freude an der Gesellschaft von Teenagern haben, oder nicht? Darin sehe ich keinen Verstoß oder ein Problem mit meinem Beruf. Das mag naiv sein, aber es ist meine Überzeugung.
Ist es das, was man mir vorwirft?
Es war keine Frage der Attraktivität. So einfach ist es nicht. Als Mensch konnte ich durchaus verstehen, warum er als attraktiv galt, warum viele der Mädchen ihn anziehend fanden. Ja, natürlich war ich der Meinung, dass er gut aussah. Das ist kein Verbrechen, oder? Ich habe zum Beispiel nicht einen Augenblick lang bei mir gedacht: Ach, was für schöne Augen er hat, oder etwas in der Art.
Ja, es gab ein paar Kommentare von weiblichen Mitgliedern des Kollegiums, aber nichts, was man als tückisch oder hinterhältig auffassen konnte. Es waren eher Beobachtungen, die nett und als Komplimente gemeint waren. Er war die Art von Schüler, für die ich Lehrerin geworden bin. Die Art, die eine ständige Herausforderung
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