Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Der Junge, der Ripley folgte (German Edition)

Titel: Der Junge, der Ripley folgte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
Vom Netzwerk:
gleich sagen: Frank ist vorgestern zu Tode gekommen.« Bei den Worten warf er einen Blick auf das Lenkrad, doch ihre Hände verkrampften sich nur ganz kurz.
    »Was meinst du mit ›zu Tode gekommen‹?« fragte sie auf französisch.
    »Er ist von derselben Klippe gesprungen, an der sein Vater umgekommen ist. Ich erkläre es dir zu Hause genauer, aber irgendwie wollte ich vor Madame Annette nichts dazu sagen, nicht mal auf englisch.«
    »Welche Klippe meinst du?« Héloïse sprach weiter französisch.
    »Die bei ihrem Anwesen, in Maine. Direkt am Meer.«
    »Ach ja!« Plötzlich erinnerte sie sich, vielleicht von den Zeitungsberichten. »Du warst dabei? Hast ihn springen sehen?«
    »Ich war im Haus. Gesehen hab ich ihn nicht, die Klippe ist weiter weg. Ich wollte –« Das Sprechen fiel ihm schwer. »Viel gibt es eigentlich nicht zu erzählen. Ich hatte eine Nacht im Haus verbracht, wollte am nächsten Tag abreisen – was ich dann auch getan habe. Seine Mutter und ein paar ihrer Freunde saßen gerade beim Tee. Ich bin nach draußen gegangen, den Jungen suchen.«
    »Und du hast gesehen, daß er gesprungen war?« fragte Héloïse, nun auf englisch.
    »Ja.«
    »Wie furchtbar, Tomme ! Darum wirkst du so… geistesabwesend.«
    »Geistesabwesend?« Sie näherten sich Villeperce. Tom sah ein Haus, das er kannte und mochte, dann kam die Post und die Bäckerei, bevor Héloïse links abbog. Sie hatte den Weg durch das Dorf gewählt, entweder zufällig oder weil sie nervös war und langsamer fahren wollte. »Ich habe ihn gefunden, sagen wir zehn Minuten nachdem er gesprungen ist. Ich weiß nicht genau. Dann mußte ich zurück und es der Familie sagen. Die Klippe ist ziemlich steil, unten liegen Felsen. Später vielleicht mehr davon, chérie. « Aber was sollte er noch sagen? Tom sah zu seiner Frau hinüber, die durch das Tor von Belle Ombre fuhr.
    »Ja, du mußt mir mehr erzählen!« Sie stieg aus.
    Tom begriff, daß sie erwartete, diese Geschichte in voller Länge zu hören, weil er diesmal nichts Unrechtes getan hatte und nichts vor ihr verbergen mußte.
    »Weißt du, ich mochte den Jungen«, bemerkte sie und sah ihn aus lavendelblauen Augen an, nur einen Moment lang. »Zuletzt, meine ich. Anfangs nicht.«
    Tom wußte das.
    »Ist der Koffer neu?«
    Er lächelte. »Und ein paar Sachen darin auch.«
    »Oh! – Und danke für die Handtasche aus Deutschland, Tomme !«
    »Bonjour, Monsieur Tomme!« Madame Annette stand auf den sonnenbeschienenen Stufen vor der Haustür. Tom fiel nur eine fleischfarbene elastische Binde unter ihrem Rocksaum auf, die sie unter beigen Strümpfen oder Strumpfhosen um das Knie trug.
    »Wie geht es Ihnen, chère Madame Annette ?« Er legte ihr den Arm um die Schulter, und sie sagte, es gehe ihr bestens, küßte ihn flüchtig auf die Wange und ging dann sofort über den Kies zu Héloïse, um ihr den Koffer abzunehmen.
    Madame Annette bestand darauf, beide Koffer nacheinander hinaufzutragen, trotz ihres verstauchten Knies; Tom ließ ihr den Willen, weil es ihr Freude machte.
    »So schön, wieder zu Hause zu sein!« sagte Tom. Er sah sich im Wohnzimmer um: der Eßtisch, fürs Mittagessen gedeckt, das Cembalo, der falsche Derwatt über dem Kamin. »Wußtest du, daß die Piersons den Regenbogen besitzen? Hatte ich das erwähnt? Du weißt, das ist einer der – ein sehr guter Derwatt.«
    »Ach, wirklich?« Héloïse klang spöttisch, als sei dieser spezielle Derwatt keiner, von dem sie gehört haben müßte – oder als argwöhne sie, er könne gefälscht sein.
    Was es war, wußte Tom nicht, aber er lachte erleichtert, ja glücklich. Madame Annette kam die Treppe herunter, vorsichtig noch, eine Hand auf dem Geländer. Wenigstens hatte er sie vor Jahren davon abbringen können, die Stufen zu bohnern.
    »Wie kannst du so gutgelaunt sein, wenn der Junge tot ist?« Héloïse hatte auf englisch gefragt, und Madame Annette, die gerade den zweiten Koffer zur Hand nahm, beachtete sie nicht weiter.
    Héloïse hatte recht, Tom verstand auch nicht, warum. »Kann sein, daß ich es noch gar nicht ganz begriffen habe. Das kam so plötzlich – es war ein Schock, für alle im Haus. Franks älterer Bruder Johnny war auch da. Frank war todunglücklich, wegen eines Mädchens. Ich hab’s dir erzählt: Teresa. Dann der Tod seines Vaters…« Weiter wollte er nicht gehen. Der Tod von John Pierson senior würde zwischen Héloïse und ihm immer ein Unfall oder Selbstmord bleiben.
    »Aber das ist schrecklich – Selbstmord mit

Weitere Kostenlose Bücher