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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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spürte er es wieder, das leise Prickeln, eine qualmige Süße füllte den Mund dehnend, Speichel lief. Weigerung kam, warnende Lichter blitzte Hirn, doch das Herz sprang auf, und das erste Wort schon schlug die flehende Hand: »Freund …?!«
    Dieses Schweigen marschierte. Sein Rhythmus war das hastige Atmen der Mädchen, wie Angst den Wanderer auf umwaldeter Landstraße nachts hetzt, während – Kai! Oh, Kai! – sinnloser Pan zwischen den Büschen sich gebärdet.
    »Freund?«
    »Oh, was ist? Sind Sie’s nicht?! Sagen Sie … oh, dann wäre ja …«
    Und da sie schwieg, sah er’s in einer Sekunde, da er das Wehen eines Nebelschleiers liebte. »Der Grund: Ja, der Grund, da ist er!«
    Geht weiter! Wo ist Dunkel tief genug, die hastige Röte eurer Wangen zu bergen? Tastend stoßt ihr aneinander, ein halblautes Wort, weiter schon, derselbe Weg, dieser gleiche Sand knirscht unter euch, aber weiter seid ihr getrennt, jene: glaubst du noch? diese: nie zweifelte ich an ihm; und er: Liebste, du!
    Bis, stehen bleibend, Kai die Hand nach oben hob, wo nicht fern dem Gitterwerk der Kronen endlose Wolkenzüge eilten. Ihre Gesichter, von Mond bestrahlt, erglänzten. So verweilten sie, aneinandergedrängt, stumm hingegeben diesem heroischen Tumult, bis ein eingerissener und dunklerer Fetzen sich vor den Mond schob, dessen Silberschein verblasste, dass der Glanz der Jagd verging.
    Und im Weitergehen sagte Kai dies, leise von sich fort, zerfließend, vielleicht zu sehr, dass er gutmachen wollte durch Weiche: »Die Wolken … so viele Wanderer dort oben  schon. Hingegangen. Wie viele hier unten schon, die  Gesichter erhoben wie wir! Hingegangen … fort … tot …«
    Und Irene da: »Und Kampf? Und Mühe? Und Stolz? Alles umsonst?«
    »Umsonst.«
    Aber plötzlich war Ilses Stimme da, in die Nacht hinaus sprach sie es still und ohne Gewicht wie ein Gebet: »Weil wir alle einmal sterben müssen …«
    Wann, in welcher Stunde hatte sie, über eine Sonnenuhr gebeugt, jene unerbittlichen und wehmütigen Worte gefühlt: »Una ex hisce morieris«? Und im Tiefsten getroffen, tastete Kai nach ihrer Hand, er nahm die fremde und abweisende, seine Lippen ließ er über ihr aufbrechen als einen Dank, einen ungestümen Lobgesang, dass sie ihm diesen höchsten Trost der Gleichheit beließ.
    »Aber das ist er, jener Tod … kein Verbrechen, nicht Freude, noch Leid, das uns endgültig erhöbe, entfremde. Am Ende wird alles umsonst gewesen sein, ausgelöscht; am Ende wird dies allein gelten: dass ich sterben musste. Wie die andern auch – nicht anders, nicht mehr, nicht weniger …«

74
    Haste, Fuß, haste. Treppauf, treppab. Bogengänge, Treppengestiege. Schilder kaum lesbar im Flackerschein. Klingelzug. »Wohnt hier Herr Hans Schirmer? – Nein? Vielen Dank.«
    Eilig, Kai, eilig! Straßengeblöke wieder, Männergejohle; Purpurflecke in Schwarz, so kreischen die Frauen. Stinkender Torgang. Gas lechzt. Lies!
    »Wohnt hier Herr Hans Schirmer? – Nein? Wissen Sie wohl …?«
    Tür klappte. Treppauf, treppab. Augenbrennen. Kniebeben. Müde? Ermattet? – Jene sitzt im Zug. Diese zu Haus –: eile, Kai, eile! Kläre rasch auf, eh es zu spät … Du musst noch zu Arne!
    Stolperstufen. Muffgeruch, von Zwiebeln durchstunken. Wäsche. Windeln. Kein Licht mehr hier oben, unterm Dach: Sterne stoßen zum Fenster herein –: »Wohnt hier …?«
    »Hans! Du sollst kommen! Hier ist ein Herr …«
    Stuhl rückt. Tür geht. Im Blickblitz: Küche, Töpfe, vertalgt, Männer, Weiber, Messergefresse …
    Schritt schlurft.
    »He? Wer ist da?«
    »… ich, Kai …«
    »Kai!«
    Schritt zurück. Tür wankt unter Griff. Gegneraugen ahnen im Dunkel Gesichter. Atem sägt Speckluft.
    (›Wozu noch fragen? Er tat es! Hier, in wüstestem Dreck, bannte er Ilse …‹)
    Sah sie Kai so, auf ein Eisenbett gezerrt, dem Stinkenden gesellt, Haarkörper, Nachttopf sichtbar? In den andern Betten Gegrunze, Geseufze, Geschrei, Gegirre?
    Er ist die Kette zwischen dem reinlichen Heim und diesem, der noch immer atmet, wortlos, torklig – hastig, wankt – weiß!
    Es schlenkert durch Kai, Glieder zucken, straffen sich schon. Hirn sticht mit Messern, hackt Gedanken, da nur Rot noch glüht, stürzt, blüht, Blick blendet …
    »Du! Du – Briefe? Hier herein sie! Selbst Briefe! Du – sie! Du – sie?!!! – Da! – Und da! – Und da!« – griff längst furchtschlaffen Arm, muskelstärkeren sonst, der nun wie riechend blaugrün verfault zwischen den Fingern zermürbte, Schlag fiel in

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