Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
wirst es beschwören, nun an ihre Seite huschend, Kai!
    Aber er zögert. Gedankengetriebe – schlammgelber Mühlstrom, wehrüberwärts brausend – hemmt Tat. Gleitet nur nach, hofft sich stark und tut nichts … nichts …, bis sie neu in einer Haustür verschwindet, ganz fortgenommen und ausgelöscht ist und Straßenlärm, Übersturz siebenter Sturmwelle gleich, mit dem Entschwinden ihres Flatterrocks aufbrandet und schreit, da noch eben äußerste Stille den fernen Verfolger hören ließ, wie ihr Schuh am Pflaster strich.
    Wieder heißt es: warten. Hinter die Anschlagsäule geschmiegt, sieht er Kommen vieler Mädchen in dies Haus, erinnertsich: »Schneiderstunde!« –, wartet, und nun endlich steht die Tür still, und da er meint: »Bald kommt sie!«, sind kaum Minuten vergangen, kaum zählbare Zeit, so wenig.
    Aber die Welt hielt an, sie ruht rastend, und auch Kai ist nicht mehr als ein Wartestück noch, dem Pfahl vergleichbar der Laterne oder dem Stein im Pflaster, so zeitlos und gänzlich von Schicksal gesättigt. Steht, lässt Menschen verstreichen, steht, fühlt kaum schlummerhaftes Regen im Hirn und ist schwer voll Blei bis in jede Zelle hinein, die äußerste noch …
    Ging Zeit? Kam Mensch? Wandelte sich etwas?
    Sieht dort den andern, Arne, offen am Haustor, schlendern dann, fuchteln mit dem Stock, die Uhr befragen und wieder schlendern, wie gähnend, und wieder schlendern und nun in ein Schaufenster blicken und schlendern. Denn so vieler Gedanken voll ist jener, so treibend, buntfleckig, aus tausend Fetzen Lust und Wonne gefügt; da in Kai allein doch – nun weiß er’s wieder, aber als ein Stilles, Unabänderliches, in Nichts klagbar –, da in Kai allein doch jenes hinten aufgebaut ist: rötlicher Stamm, ragender, Astansatz, Himmel, Weg dorthin, Strick – weniges, eines alles dies, restlos gelöst mit Divisor Ruhe: oder Beschluss …
    Und tiefer tritt Kai zurück, späht kaum noch, wartend, da nichts mehr ihm entrinnt – und sieht plötzlich Überströmen der Straße von Mädchengestalten, Bunt von Hüten, in Schirmhöhlen gehegt, und nun auch die drei, Arne inmitten, wandelnd, hierhin, dorthin, gestenlos, Köpfe gesenkt, und ahnt Worte, Worte …
    … endgültige, endlich, denen er den Kopf neigt; und ist da Gefühl, ist’s Leichte, wie ein Flügelzuck, wie ein Augenblinzeln.
    Bis er schreckhaft zurückfährt, da sie an ihm vorbeistreicht,eine Blickblinde, tränentropfende Weißgesichtige, so geschäftiger Finger Besitzerin, und zitternd noch im Schuh, meint er, zitternd noch im Schuh …
    Eine Fremde jedenfalls, ausgelöst aus seinem Leben, ohne jeden Belang.
    Schleicht wieder jenen nach, den beiden nun, Arne, Irene, überquert Plätze, versinkt in Gassengemenge, landet ins Freie, steht am Bahnhof und wartet, ohne Gewicht, wartet …
    Bis Arne kommt. Allein. So lustvoll männlicher Schritt, in den Hüften gewiegt, den Nacken steif und das Kinn hoch, so funkeläugig von Springleben, Blutfrische – und nun doch so sehnenzerschnitten, so gelöst, so gesackt, so nichts, da die Frage ihn anspringt, über die Schulter von hinten, nein, nicht springt, gegangen kommt, wie ein Wanderer endlich Hoffstätte betritt: »Nicht, Arne, du hast ihnen alles gesagt?«
    »Kai …! Kai … ich …« Und der Blick schon gesteht. Hindernis gibt es nun nicht mehr und kein Missverständnis vor diesem dort hinten, so genau jetzt gekannt: Ast … Strick … Hals …
    Und hasst sich der Kai, da er doch noch sagt zu jenem Verwirrten, Zerbrochenen, Nachduft der Ruhmbeutelei von einst, irgendwie sagt: »Siehst du, nun kann ich mich er – – – schießen … endlich Ruhe … Dank …«
    Hasst sich, weil das Lüge ist, jedes Wort ein Zuviel, jeder Laut ein Fleck auf diesem Tod, der sonst rein wäre, ganz rein …
    Steht auf der Plattform schon der Tram, treibt fort, sieht die Geste jenes noch, die beschwörende, die flehende, und ist allein wieder mit dem, was kommt, und liebt nichts mehr und wurde leicht …
    Da er nun heimfährt, letztes Mal, das Rad zu holen, und dann weg zu sein für immer, einfach nicht mehr da zu sein …

80
    Stand, sah um sich, hob das Rad auf die Schulter, sprach: »Bereit.«
    Zögerte doch. Lauschte dem Tackeschritt über seinem Kopf, dachte. Lauschte: es ging und ging jener, der Vater, Wege des Denkens, Wege der Liebe vielleicht. Und in staubige Kelleröde, mattmüdes Herz stellte der tackende Schritt dies Gesicht: blass, Sorgenfalten, Augen, tief, voller Liebe; Augen wie Strom und Feld,

Weitere Kostenlose Bücher