Die diebische Elster und andere Geschichten (20 Kurzkrimis) (HML-MEDIA-EDITION) (German Edition)
Noch nie war sich Kaufhausdetektiv Rolf so sicher wie bei ihr: Diese schrullige alte Dame ist eine Ladendiebin! Doch wie zum Kuckuck kann er sie überführen?
„ Schauen Sie, da ist sie schon wieder!“
Rolf deutete auf die ältere Frau, die gerade das Kaufhaus betrat. Zusammen mit Herrn Hagl, dem Geschäftsführer, beobachtete er die seltsam herausgeputzte Dame. Sie trug ein kariertes Kleid, altmodische Schnürstiefel und gehäkelte Handschuhe. Als Krönung der skurrilen Aufmachung thronte ein enormer Hut auf ihrer grauen Dauerwelle, drei Federn schwangen beim Gehen auf und ab.
„Sie glauben immer noch, dass die bei uns klaut?“, fragte Hagl.
„ Ich bin seit zwanzig Jahren hier Detektiv und war mir nie so sicher. Die ist die zerrupfte Königin aller Raben!“, erwiderte Rolf.
Doch der Geschäftsführer war noch nicht überzeugt. „Aber Sie haben doch neulich ihre Handtasche untersucht und nichts gefunden!“, sagte er. „Noch einmal leisten Sie sich so was nicht, das sag ich Ihnen!“
Als wenn er das nicht selbst wüsste! Rolfs Kiefer malmten. Dabei hatte er gesehen, wie sie den teuren Lippenstift aus dem Regal nahm! Er hatte sie an der Kasse abgefangen und in den Personalraum geführt, um sie zu kontrollieren. Mann, hat die sich aufgeregt! Zeter und Mordio geschrien und sich über diese Schikane so lautstark beschwert, dass man sie bis rauf zu den Haushaltswaren gehört hatte. Dummerweise war in ihrer Handtasche nichts zu finden gewesen außer einem halb leeren Fläschchen 4711 und einem bestickten Spitzentaschentuch. Rolf musste sich zähneknirschend entschuldigen und wurde dann auch noch vom Chef zusammengestaucht wie ein Erstklässler. Er ballte seine Hände zu Fäusten. Dieses Mal war sie dran, diese Kanaille!
„ Ich mach mich auf die Pirsch“, erklärte er Hagl.
„ Waidmanns Heil!“ Der Boss grinste überheblich.
Rolf schlich der skurril gekleideten Frau hinterher. Sie stöberte ein bisschen bei den Büchern herum, dann schlenderte sie zu den Schreibwaren. Er versteckte sich hinter den Ordnern in der nächsten Regalreihe und beobachtete sie genau.
Da! Sie drehte einen teuren Kugelschreiber prüfend herum. Dann beugte sie sich nach unten und verschwand damit aus seinem Blickfeld.
Verdammter Mist! Rolf stellte sich auf Zehenspitzen, konnte aber nicht sehen, was sie trieb.
Kurz darauf marschierte sie weiter zur Damenoberbekleidung. Rolf schnaubte vor Ärger und nahm die Verfolgung auf. Vor einem Spiegel blieb sie stehen und zog sich die Lippen in Knallrot nach. Das war ja die Höhe! Genau der Lippenstift, den sie damals geklaut hatte. Die hatte wirklich Nerven!
Ihr Kleid hatte nur eine winzige Tasche an der Seite und sonst hatte die Lady nichts dabei. Wo zum Teufel war der Kugelschreiber?
Sie trippelte zur Rolltreppe und fuhr ins Untergeschoss zur Lebensmittelabteilung, er war natürlich dicht hinter ihr. Dort nahm sie einen Einkaufswagen und wanderte durch die Regale. Sah sich die Joghurts an, legte ein Netz Kartoffeln in den Wagen, blickte interessiert in die Gefriertruhen.
„ Haben Sie Ihre Elster schon mit dem Silberlöffel im Schnabel erwischt?“ Hagl tauchte plötzlich neben ihm auf.
„ Bin dabei“, sagte Rolf. „Bald hab ich sie!“
„ Aber ohne peinliche Zwischenfälle! Wenn so was noch mal passiert, sind Sie gefeuert. Diese Oma ist einfach nur exzentrisch, die klaut doch nichts!“
Hagl hatte ja keine Ahnung! Rolf konnte einen Dieb meilenweit gegen den Wind riechen und diese Lady stank zum Himmel!
Nun war sie auf dem Weg zur Kasse. Rolf bezog seine Stellung hinter dem Zeitungsregal. Und auch nun, da er sie von der Seite beobachten konnte, fand er keinen Hinweis auf ein Versteck. Sie zog einen Geldschein aus der Tasche ihres Kleides und stellte sich in der langen Reihe an. Jetzt wurde es spannend! Rolf lockerte seinen Hemdkragen. Schwül war es hier im Tiefgeschoss!
„ Was Neues?“
Schon wieder Hagl. Hatte der nichts anderes zu tun?
„Ich warte, dass irgendwo ein Kuli rausblitzt. Dann schnapp ich sie mir.“
Der Chef wurde ungeduldig, als in der Schlange nichts voranging. „Was dauert hier so lange?“, fragte er.
„Die Kassiererin muss den Streifen wechseln.“
Die alte Lady schien ziemlicher unsicher auf den Beinen zu sein und krallte sich am Wagen fest.
„Sie ist plötzlich so blass“, stellte Hagl fest.
Auch Rolf sah genauer hin. Von der Stirn lief ihr der Schweiß in Bächen.
„Ich glaub, die kippt gleich um!“, rief er.
Als die Frau immer mehr
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