Der junge Häuptling
ihm mit aufzusitzen.
Der Kundschafter ließ sich von dem Hageren ungern helfen. Die Züge dieses Mannes waren scharf, von angreifender Spottlust, und Tobias hatte ihn an den Abzeichen erkannt. Das war Schwarzfalke – in der Dakotasprache Tschetansapa –, der Anführer des Bundes der Roten Hirsche. Da der Kundschafter seinen Schecken verloren hatte, blieb ihm jedoch nichts anderes übrig, als sich nach der Anweisung des Häuptlings von Tschetansapa helfen zu lassen, und er bemühte sich, möglichst geschickt auf den Mustang des Dakota zu kommen.
Er saß hinter dem zügelführenden Krieger, und da seine Beine nicht mehr recht gehorchen wollten, mußte er sich an Tschetansapa festhalten.
Es ging nach Südwesten quer durch die Grashügel, gewiß dem Lager zu. Mit der Reiterschar des Häuptlings vereinigten sich bald die übrigen Krieger aus verschiedenen Richtungen, bis Tobias wieder hundert zählen konnte. Fünfzehn schienen als Wache zurückgeblieben zu sein.
Die Gegend, durch die sich die Reiter abwechselnd in Galopp und Schritt bewegten, bot wenig Abwechslung. Die Nachmittagssonne hatte gut gewärmt, aber jetzt sprang der kühle Nordwind auf. Man spürte die Nähe der Berge.Die Sonne sank hinter dem aufwachsenden Felsengebirge, als die Reiterschar noch immer unterwegs war. Unter dem nächtlichen Sternenhimmel näherte sie sich endlich dem Horse-Creek. Die Ufer des Flusses waren lange Strecken hindurch völlig kahl, aber an der Biegung, die jetzt in Sicht kam, hatten sich Weiden und kleines Gehölz angesiedelt. Es war ein günstiger Lagerplatz. Viele Zelte waren am Bach aufgeschlagen.
Aus dem Lager kamen den Jägern jugendliche Reiter entgegen und begrüßten die Büffeljäger mit schrillen Schreien. Ein Gewirr von Stimmen drang durch die Nacht, und immer mehr Reiter sprengten herbei, um den Heimkehrenden das Geleit zu geben. Das Brausen der Stimmen schwoll an. Lärm und Jubelschreie brachen ohne Hemmung los.
Die Jagdgesellschaft ritt zwischen die Zelte ein. Der Bach beschrieb einen nach Süden offenen Bogen. Innerhalb der Biegung befand sich das Zeltdorf der Söhne der Großen Bärin selbst, das den Kern des ganzen Lagers bildete. Die Tipi waren um einen freien Platz gruppiert, in dessen Mitte ein Kultpfahl eingerammt war. Der Boden war festgestampft. Hier hielten die Krieger ihre Tänze und Feierlichkeiten ab. An diesem Platz waren die größten Zelte aufgebaut, das Beratungszelt, das Zauberzelt und das Häuptlingszelt. Die Trophäenstange vor dem Eingang des Häuptlingszeltes trug viele Beutestücke aus Jagd und Kampf. Die beiden Pferde, die vor diesem Tipi angepflockt waren, rührten sich. Laut jaulten die Hunde.
Auf dem Platz inmitten der Zelte versammelten sich die heimkehrenden Jäger. Drei Feuer beleuchteten sie mit ihrem rötlichen Licht.
Es war alte indianische Sitte, daß heimkehrende Jäger von den Ältesten und Zaubermännern bei den Ratsfeuern empfangen wurden und jeder Jäger hier den Bericht über seine Beute abzustatten hatte. Tobias erblickte Würdenträger des Stammes, alte und sehr alte Männer in reicher Kleidung. Sie verschwammen ihm im flackernden Licht der Flammen; er war erschöpft, und seine Sehnerven ließen nach. Aber er fühlte doch, wie alle in großer und freudiger Spannung den Häuptling auf dem Falben erwarteten.
Die Reiter hielten.
Tokei-ihto hob die Hand zum Zeichen, daß er sprechen wolle, und es trat Ruhe ein.
»Häuptlinge und Krieger der Dakota! Der gute Geist hat uns Büffel geschickt; unsere Pfeile haben getroffen. Zweihundert Büffel sind erlegt. Morgen, wenn die Sonne aufgeht, werden unsere Frauen und Mädchen das Fleisch holen. Es wird keinen Mangel in unseren Zelten geben!« Auch der Kundschafter konnte sich dem ausbrechenden Jubel nicht entziehen. In dem Brausen vieler Stimmen schrie Tobias mit.
Die Teilnehmer an der Jagd lösten sich aus der Reihe. Sie ritten zu ihren Zelten oder brachten die Tiere zur Weide, die sich am Bach befand. Einige Knaben waren herbeigesprungen, um ledige Pferde fortzuführen. Den Schecken, der Tschetansapa und Tobias getragen hatte, nahm ein schlanker, sehniger Dakotajunge am Zügel mit. Tobias war mit Mühe herabgeglitten und schwankte im Stehen, und obwohl er sich mit aller Kraft zusammennahm, fürchtete er, bald elend im Gras zu liegen.
Beim Feuer teilten sich die Gruppen der Würdenträger, Häuptling Tokei-ihto kam zurück. Tobias zuckte auf, als der Dakota ihn ansprach und ihn mit ausgesuchter Höflichkeit bat, der Gast
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