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Der junge Häuptling

Der junge Häuptling

Titel: Der junge Häuptling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hinauftreiben, aber das Tier gehorchte ihm nicht mehr. Es stieg und drehte sich. Zugleich ging einem der Dakota oben in der Nachbarschaft des Häuptlings der Mustang durch. Es gab kein Halten mehr. Donnernd flog die ganze Linie nordwärts der Büffelherde zu, und Tobias ließ sich mitreißen. Der Falbe des Häuptlings glitt an ihm vorbei. Tobias befand sich inmitten der dahinjagenden Dakota. Seine Hände hatten die Zügel fahrenlassen. Er griff in den Kugelbeutel und nahm einige Kugeln in den Mund, um später rascher laden zu können. Adams hatte ihm eine elende Vorderladerflinte gegeben, bei der dieses Geschäft noch langwierig genug war. Aber gleichgültig – es ging zur Büffeljagd! Das war die gefahrumdrohte Arbeit, aber auch das leidenschaftlich gesuchte Nationalvergnügen des Prärieindianers. Ein jeder der braunhäutigen Reiter war bereit, Leib und Leben daran zu wagen. Wie der Sturmwind brauste die Jägerschar durch das Tal. So war es nach Tobias’ Sinn. Keine Treibjagd, ein tolles Rennen mit den Büffeln um Leben und Tod sollte es werden. Sein Herz sang das Büffellied, das er einmal in den nördlichen Prärien bei den Schwarzfußindianern gelernt hatte:
    »Meine Augen sehen gelbe Büffel, und ich rieche Staub, den rote Nüstern blasen auf vom Sandpfad unsrer Steppe. Guter Bogen, spanne deine Sehne! Guter Pfeil, versage nicht im Schuß!«
    Die Büffelstiere waren aufmerksam geworden. Ihr Brüllen verstummte. Sie drehten die massigen Häupter und sahen nach den Herangaloppierenden. Ein gewaltiger Stier befand sich am Ende der Herde. Sein Fell war von Schlamm überkrustet; er war wohl derjenige, der sich in dem Büffelbad gewälzt hatte. Das Tier senkte schnaubend die Hörner, wandte sich aber dann doch zur Flucht und schloß sich der Herde an, die schon erschreckt davongaloppierte. Scharen von Vögeln, die die Herde begleitet hatte, flatterten auf und flogen davon. Wie ein Pfeil schoß der Schecken des Kundschafters hinter den Büffeln her. Er sprengte an dem gefährlichen Bullen geschickt vorbei in den aufwirbelnden Staub hinein. Schon war er zwischen den Büffeln. Seite an Seite mit den aufgestörten, sich drängenden Tieren, Tobias wußte nichts mehr von den anderen Jägern, kaum wußte er noch von sich selbst. Um ihn dröhnte und stampfte die fliehende Herde in Wolken von Staub. Das Wasser des kleinen Baches klatschte unter ihren Hufen. Der Schecken galoppierte mit, er wäre sonst zertreten worden.
    Tobias hatte die Flinte zur Hand. In dem Staub, der die Sicht nahm, in dem Gewoge und Gewühle galoppierender Büffel erkannte er kurz vor sich einen jungen Stier. Der offenbar gut angelernte Mustang raste von hinten her hart an diesem vorbei; die Kugel drang dem aufs Ziel genommenen Tier hinter der Schulter ins Herz. Tobias konnte nicht mehr sehen, wie es stürzte. Ohne Aufenthalt ging das Jagen weiter, zwischen fliehenden Büffeln, galoppierenden Dakota. Die Hände des Kundschafters luden während des sinnverwirrenden Rittes. Er feuerte die Flinte zum zweitenmal ab und holte die nächste Kugel aus dem Mund. Die braunwolligen Rücken wippten neben ihm in angsterfülltem Lauf. Schreie der Jäger drangen schwach durch das übermächtige Gedonner der Hufe. Tobias zielte und schoß zum drittenmal.
    Es schien ihm dabei, daß das Dröhnen des Hufschlags langsam nachließ. Die fliehende Herde mußte sich auseinandergezogen und geteilt haben. Die Staubwolken wurden durchsichtiger. Tobias versuchte sich zurecht zu finden. Er galoppierte noch immer inmitten einiger dreißig oder vierzig Büffel. Aus diesem Gedränge wollte er heraus. Der Schecken war müde geworden. Seine Nachbarn im wütenden Lauf, zwei junge Bullen, bedrängten ihn und stießen mit ihren kleinen scharfen Hörnern. Tobias wollte seinen Mustang und sich selbst mit der Flinte von den Angreifern befreien, als er bemerken mußte, daß sein Kugelbeutel nicht zugebunden war und sich entleert hatte. Er griff zur Pistole, aber er traf diesmal schlecht, und die beiden Büffel fühlten sich von den kleinen Geschossen nur zu weiteren Angriffen gereizt.
    Der Schecken konnte nicht mehr weiter. Er stürzte. Er kam auf die Füße und rannte zwischen den Büffeln um sein Leben. Während die muskulösen Beine des Kundschafters ausgriffen, behielt er die Kaltblütigkeit, seine Lage zu übersehen. Er befand sich in einer Schar kräftiger und flinker Tiere. Weit vorn entdeckte er den gewaltigen Bullen, den erdüberkrusteten Leitstier, der die ganze Herde überholt

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