Der junge Häuptling
frei blieb. Das Leder war als Umhang zugeschnitten und schmiegte sich gut an. Chef de Loup versuchte einen Augenblick, die Zeichnungen darauf zu studieren. Sie schienen Taten Tokei-ihtos aus Jagd und Krieg darzustellen. Da der Verletzte die Arme nur wenig heben konnte, übernahm es der Häuptling, auch sein Haar zu ordnen. Mit einer Bürste aus Stachelschweinborsten glättete er die schwarzen Strähnen, und er benutzte eine Schlangenhaut statt des grünen Tuches, um sie aus der Stirn zu halten.
Während sich Tokei-ihto dann in den Hintergrund zurückzog, um selbst seine Festkleider anzulegen, kam die junge Indianerin herbei und legte bunte Bastmatten um die Feuerstelle. Der Gast folgte den Bewegungen des Mädchens mit heimlichen Blicken. Sie trug ein langes Ledergewand mit rundem Halsausschnitt. Ärmel und Rock liefen in langen Fransen aus. Am Gürtel hingen das Messer in der Scheide und gestickte Taschen, die alle möglichen Kleinigkeiten bargen. An Stelle der Strümpfe trug die Indianerin gestickte Lederhosen, die bis zu den Mokassins reichten. Lang fielen die seidenglänzenden, tiefschwarzen Zöpfe über die Schultern herab. Der Scheitel war zinnoberrot gefärbt. Chef de Loup wußte vom Hörensagen, daß Tokei-ihto eine Schwester mit Namen Uinonah habe. Sie war jung genug, um unverheiratet zu sein, und Chef de Loup wunderte sich auch nicht sehr darüber, daß der Häuptling selbst noch keine Frau zu haben schien. Es war bei den freien Dakota Sitte, daß ein Krieger kaum vor dem dreiundzwanzigsten Jahr begann, unter den Mädchen des Stammes für sein Zelt zu wählen.
Der Kundschafter versuchte zwischen Uinonah und ihrem Bruder eine Familienähnlichkeit zu finden. Die weichen, von einer verhaltenen Trauer umschatteten Züge der jungen Indianerin waren der Männlichkeit des Häuptlings sehr fern. Aber im Wesen dieser beiden jungen Menschen lag eine unnahbare Würde, die sie miteinander verband. Sie hatten das schwere Geschick, Kinder eines Geächteten zu sein, zehn Jahre lang getragen und waren dadurch innerlich zu einem Abstand von ihrer Umgebung gezwungen worden in den Jahren der Kindheit und Jugend, in denen sich der Mensch sonst am offensten anschließt.
Als die junge Indianerin die geflochtenen Bastdecken im Kreis geordnet hatte, stellte sie für jeden Gast je eine große Tonschüssel und zwei kleinere Schalen aus dunklem Hartholz bereit. Zu den Holzschalen legte sie zierliche Löffel, die aus dem Horn des Bergschafs geschnitzt waren. Auch die alte Indianerin kam wieder zum Feuer. Sie füllte die Holzschalen der Gedecke, je eine mit einem gelblichen Fett, das Chef de Loup als zubereitetes Mark aus Büffelknochen erkannte, die andere mit einem dunklen Staub; das war hart getrocknetes und zu Pulver vermahlenes Büffelfleisch, Pemmikan genannt. Die große Tonschale blieb leer. Das junge Mädchen brachte noch zehn Lederbeutel herbei, in denen Tabak und je ein Stück hartes Biberfett, zur Verbesserung des Tabakgeschmacks, enthalten waren. Neun Beutel legte sie zu den Schüsseln und einen Beutel besonders. Dann zog sie sich, ebenso wie die ältere Frau, wieder zurück. Still und unbeweglich warteten die beiden Frauen auf die weiteren Weisungen, die der Herr des Zeltes etwa geben werde. Tobias beobachtete jetzt auch das Gesicht der älteren Frau. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen, die Stirn war hoch und ausgeprägt.Tokei-ihto hatte die bockledernen Mokassins, die Leggings und den reich gestickten langen Rock aus Elenleder angelegt. Von seinen Waffen trug er nur das Messer mit dem geschnitzten Griff bei sich. Er hob die Adlerfederkrone mit der langen Adlerfederschleppe mit beiden Händen empor und setzte sie sich auf das Haupt. An diesem Häuptlingsschmuck war nicht eine Feder, die nicht ihre Bedeutung hatte und von den Taten ihres Besitzers erzählte. Die zahlreichen roten Flaumbüschel an den Spitzen bedeuteten getötete Feinde; der Schnitt an der Federspitze und rot ausgeführte Zeichnungen verrieten dem Kenner, wie oft Tokei-ihto berühmte Feinde verletzt hatte und wie oft er selbst verwundet worden war. Die Adlerfedern waren besonders schön und von gleicher Größe. Die Fassung der Adlerfederkrone war mit weißem Hermelinfell geziert.
Tokei-ihto trat zum Feuer heran, Tobias blickte bewundernd zu ihm hinauf. Er sah diesen Mann mit dem Hintergrund der Beutestücke, die an den Zeltstangen hingen und von seinen und seiner Väter Jagden und Kämpfen erzählten: Büffelschädel und -hörner, das riesige Fell
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