Der junge Seewolf
Büro eintreten und warten. Als die Tür aufging, wollte David mit ausgestreckten Armen vorwärtseilen, aber es war Mrs. Porter, und er stand befangen da.
»Sie wünschen, mein Herr?« fragte sie distanziert.
Er erklärte ihr, daß er Miss Denise sehen möchte.
»Das geht leider nicht, mein Herr. Heute haben wir eine andere Gesellschaft, und Denise ist sehr beliebt. Man zahlt gut für sie.«
»Aber ich liebe sie«, erklärte David, »und von mir hat sie kein Geld genommen.«
Mrs. Porter sah ihn ein wenig mitleidig an. »Aber Seine Lordschaft hatte alle Herren eingeladen und zahlt immer sehr großzügig. Wenn es ein schönes Erlebnis war, junger Herr, dann behalten Sie es in Erinnerung. Aber es gibt schöne Erlebnisse, die man nicht einfach wiederholen kann. Sie sind noch so jung. Ihnen wird die Liebe noch oft begegnen. Und nun müssen Sie gehen, mein Herr.«
David stand auf der Straße und war mehr verwirrt als traurig. Aber Denise hatte doch auch Leidenschaft für ihn empfunden? Oder hatte sie es nur gespielt? Aber nein, für bezahlte Liebe hätte weniger genügt.
Automatisch ging er in der beginnenden kalten Nacht durch die Straßen und hing seinen Gedanken nach. Er war doch groß und kräftig. In der Flotte zählte er als Mann, mußte für andere Verantwortung tragen, hatte auch im Kampf seinen Mann gestanden.
Aber wenn es um Frauen ging, dann zählte er wieder als Kind. Man hatte Freude an ihm, aber man schickte ihn auch weg, wenn es paßte. Verdammt, was war das für ein verrücktes Leben an Land!
David stutzte. Eben überquerte vor ihm der Armeemajor aus dem Wirtshaus die Straße. Er trug eine Ledertasche unter dem Arm, wie sie für Depeschen benutzt wurden. Unwillkürlich folgte ihm David. Wo waren sie denn? Im Hannover Square, dort war das Dienstgebäude des Admirals, in dem nur wenig Licht zu sehen war. Ein Bootsmannsmaat der Albion schlenderte vorbei.
David hielt ihn an. »Kommen Sie mit. Es ist sehr wichtig.«
Der Armeemajor blieb an einem Seiteneingang stehen. Aus dem Schatten trat Mr. Leather auf ihn zu, empfing die Ledertasche und begab sich auf den Weg in Richtung Hudson.
David flüsterte dem Bootsmannsmaat zu, er solle zur Albion laufen und den Hauptmann oder Leutnant der Seesoldaten mit einem Trupp bewaffneter Männer zur Dockstraße am Hudson schicken. Dies sei ein Geheimauftrag des Stabes, und er übernehme die Verantwortung.
Dann eilte er zur Wache am Haupteingang und trug ihr auf, sofort Hauptmann Plate zu informieren – wo er auch sei – daß der Schoner Rose neue Geheimnachrichten erhalte.
Er sagte noch, es gehe um Leben und Tod, weil ihm das sehr viel Nachdruck zu bedeuten schien, und rannte die Straße entlang, in der der Schreiber verschwunden war. Als er ihn zwanzig Yard voraus im Schein einer Wirtshauslaterne erblickte, fiel er in ruhigen Schritt und folgte ihm.
Er hatte richtig vermutet. Zielstrebig ging Mr. Leather zu den Piers am Hudson, die Ledertasche eng unter den Arm geklemmt. David hielt genügend Abstand, um nicht aufzufallen.
Als sie an dem Wirtshaus vorbeikamen, in dem er seinerzeit auf den Verrat gestoßen war, huschte er in die Tür, sah Leutnant Abercrombie und rief ihm zu: »Kommen Sie schnell. Es geht um Hauptmann Plates Angelegenheit!«
Dann eilte er wieder hinaus, um nach dem Schreiber zu sehen. Abercrombie hastete aus der Tür. David zog ihn mit sich, erzählte flüsternd, worum es ging, und beide sahen, wie Mr. Leather nach kurzem Wortwechsel mit der Ankerwache den Schoner betrat.
Beide versteckten sich hinter einem Kistenstapel und beobachteten durch das einsetzende Schneetreiben den Schoner. Unendlich langsam verging die Zeit.
»Hauptmann Plate oder die Seesoldaten müßten doch endlich kommen«, flüsterte David.
»Es wäre schön, denn mit meinem Säbel und Ihrem Zierdegen allein können wir nicht viel anfangen«, gab Abercrombie zurück.
In der Ferne glaubte David Marschtritte zu hören, da erschienen der Schreiber und der Maat an Deck. Der Maat rief der Wache zu: »Klar zum Ablegen!« Dann gab er dem Sekretär die Hand.
»Wollen die in der Dunkelheit auslaufen?« flüsterte David.
»Zumindest bis in den Hudson hinaus«, sagte Abercrombie, »dann sind sie sicher.«
Und der Leutnant trat hinter dem Kistenstapel hervor. »Im Namen des Königs! Bleiben Sie stehen, und heben Sie die Hände über den Kopf!«
Der Sekretär hastete auf den Schoner zurück, der Maat rief der Wache etwas zu, bückte sich, hob eine Pistole und feuerte auf
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