Der junge Seewolf
Bilder nebeneinander hielt, war auch die Ähnlichkeit von seiner Mutter und der Tante unverkennbar. Für die Bilder der Eltern hätte der Hamburger Onkel Vorlagen zur Verfügung gestellt, schrieb die Tante, und die Bilder seien von einem Maler angefertigt, der für seine Miniaturen berühmt sei.
Das war ein wunderbares Geschenk, beide Bilder in einem festen Lederetui vereint und geschützt. David sah sie noch einmal genau an, steckte dann das Lederetui in die Brusttasche, warf sich den warmen Mantel über und ging an Deck.
Lange ging er auf dem Achterdeck hin und her, achtete mechanisch auf die Rufe der Wachen und auf die Geräusche des Windes. Die Schneeflocken blieben auf seinem Mantel liegen, als es kälter wurde. Nun war er bald drei Jahre aus Hannover fort.
Seine Gedanken wanderten zurück: Portsmouth, die Schule, die Küste Afrikas, Richard, Gibraltar, die Alfama, Boston, die Chesapeake Bay, Saint Augustine, die Karibik, Saint John, Jean, Valcour Islands.
Wie war er behütet worden in allen Gefahren. Er war kein Junge mehr, und es war albern, so kindisch um Susan zu jammern. Aber weh tat es doch. Er nahm die Hand aus der Tasche und rieb in Gedanken sein Kinn.
War das blöd! Wenn man einmal mit dem Rasieren anfing, wuchsen die Stoppeln doppelt schnell. Morgen würde er wieder schaben müssen, sonst wäre Seine Lordschaft ungehalten. Er mußte unwillkürlich lächeln und dachte, nun sei es aber Zeit für die Ablösung.
Lord Battesham hatte es nicht versäumt, den Weihnachtsfeiertag besonders zu gestalten. Die Mannschaften gingen mit ihren Offizieren divisionsweise zu einem kurzen Gottesdienst in eine Kirche, ein Wirtshaus hatte für alle riesige Portionen Braten geliefert, es gab eine Extraration Grog und natürlich dienstfrei.
David mußte zugeben, daß der exzentrische Lord nicht nur an seine Vergnügungen dachte. David erhielt wie die anderen unverheirateten Leutnants und Midshipmen ein Billett, mit dem Seine Lordschaft für den Abend in Mrs. Porters Etablissement einlud.
David war im Zwiespalt. Er wollte erfahren, wie es dort war, aber er hatte auch Hemmungen. Und hatte Mr. Lenthall nicht immer gewarnt? Ach was! dachte er schließlich, wenn andere in London Verlobung feiern, brauche ich hier nicht Trübsal zu blasen.
Mrs. Porters Etablissement war in einem großen Haus in einer ruhigen Nebenstraße. Ein Garten trennte es von den Nachbarhäusern. Schwere Vorhänge verwehrten den Blick in die Fenster.
Ein großer Neger in Phantasieuniform ließ sie ein, ein Mulattenmädchen mit tiefem Ausschnitt nahm ihnen die Mäntel und Hüte ab.
Mrs. Porter war eine elegant gekleidete, attraktive Dame, vermutlich etwas über vierzig Jahre alt. Sie begrüßte Lord Battesham sehr zuvorkommend und bat die Herren in den Salon. Das war ein großer, festlicher Raum mit Plüschmöbeln, dunkelroten Vorhängen, vielen Spiegeln, Parkettfußboden und einer großen Bar.
In einer Ecke spielten auf ein Zeichen von Mrs. Porter ein Pianist und ein Geiger leise einschmeichelnde Melodien. Wieder ein Wink von Mrs. Porter, und zwei Negermädchen in eng anliegenden weißen Kleidern brachten Tabletts mit Gläsern, in denen kühler Champagner sprudelte.
»Trinken wir auf unsere charmante Gastgeberin und auf einen schönen Abend!« rief der Lord. David konnte sich nicht mehr an den Geschmack von Champagner erinnern, aber er fand die leicht säuerliche, prickelnde Flüssigkeit sehr erfrischend.
»Liebe Mrs. Porter, Sie enthalten uns Ihre Damen aber heute lange vor.«
»Nur Geduld, Mylord!« Und Mrs. Porter klatschte in die Hände.
Zwei Türen öffneten sich, und im Rhythmus der Musik schritten junge Damen in den Raum, jede mit einer Kerze in der Hand. Das war ein beeindruckender Anblick. Alle, ob blond, schwarz oder rothaarig, waren elegant und geschmackvoll gekleidet und von ausgesuchter Schönheit.
Sie näherten sich lächelnd den Männern, stellten die Kerzen auf dieTische, nahmen sich Champagnergläser und stießen mit den Offizieren an. Die Serviermädchen boten unentwegt kleine Fleisch- und Hummerhäppchen in scharfen Soßen, Konfekt und Champagner an.
Die Musik war lauter und feuriger geworden, und die jungen Damen zogen ihre Partner auf die Tanzfläche und wirbelten mit ihnen durch den Saal.
David half seine bisherige Tanzerfahrung überhaupt nichts. Hier faßte man die Damen mit einem Arm um die Taille, griff mit der anderen Hand die Hand der Dame, sah mit aneinandergedrückten Wangen auf diese ausgestreckten Arme und
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