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Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Frank
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hörte dessen Ausführungen beim Nachtisch aufmerksam zu. Er war ein ungewöhnlich großer und kräftiger Mann, ohne jenen Ansatz zur Fettleibigkeit zu zeigen, zu dem Kapitäne bei ihrem Mangel an Bewegung neigen. Er trug sein Haar gepudert und in einen Zopf geflochten. Sein gebräuntes Gesicht hatte tiefe Falten und eine etwas fleischige Nase. Seine grauen Augen waren beherrscht und abwartend, seine Rückfragen präzise und sachlich.
    »Das Schicksal Ihres Neffen rührt mich, Mr. Barwell. Ihr Entschluß, ihn auf ein gutes Schiff zu geben, ist vernünftig, Ihre Wahl ehrt mich. Aber wir kennen uns gut genug, und ich brauche Ihnen nichts vorzumachen. Es gibt viele Anwärter auf die Stelle als ›Captain's servant‹, und mein Kontingent ist voll. Der Zweite Offizier aber kann noch einen Jungen nominieren. Er ist mir mehr als verpflichtet, und wenn er zustimmt, werde ich die Stelle mit Ihrem Neffen besetzen und ihn behandeln, als wenn er mein eigener Schützling wäre. In der Musterrolle wird er zunächst als Boy eingestuft. Alles andere hängt von ihm ab. Sie müssen ihm ein Taschengeld geben, zwei Pfund im Monat für seine Ausbildung zahlen und bei mir dreißig Pfund für sonstige Ausgaben hinterlegen. Ist das akzeptabel für Sie?«
    Der Onkel, der keine aus dem üblichen Rahmen fallende Forderung erkennen konnte, nickte schweigend.
    »Sie haben sicher für die Ausrüstung Ihres Neffen gut vorgesorgt, wie ich Sie kenne, Mr. Barwell. Aber das Problem ist, daß ich morgen um zwei Glasen in der Nachmittagswache auslaufe. Kann der Junge mittags an Bord sein?«
    »Für meine Frau wird es schwer, Herr Kapitän, aber der Junge wird vor acht Glasen der Vormittagswache an Bord sein. Er wird Sie weder morgen noch sonst enttäuschen, da bin ich ganz sicher.«
    »Gut! Aber lassen Sie ihn allein zur Shannon bringen, damit er nicht als Muttersöhnchen abgestempelt wird. Sie wissen, wie gern gerade die jungen Herren an Bord lästern.«
    Sie sprachen noch über die Befehle der Shannon, einen Geleitzug mit Truppenablösungen und Waffen nach Gibraltar zu bringen sowie dann zwei Monate zwischen Gibraltar und den Kapverdischen Inseln zu kreuzen, da die Liverpooler Sklavenhändler über arabische Piraten geklagt hatten, die schon mehrere Schiffe mit Tauschwaren auf der Fahrt nach Senegambien gekapert hätten. Schließlich werde er wohl noch abgelöste Offiziere und eilige Depeschen von Gibraltar nach England bringen.
    »Man fühlt sich bald nicht mehr wie ein Fregattenkapitän, sondern eher wie ein Wachmann und Transporteur.«
    »Aber, aber, Herr Kapitän. Sie entgehen unserem naßkalten Winter und jagen – frei wie ein Vogel – vor Afrikas Küste Piraten. Das ist doch kein schlechtes Los!«
    »Na ja«, gab Kapitän Brisbane zu, »es hätte schlimmer kommen können. Aber Ehre ist damit nicht zu gewinnen.«
    Die Unterhaltung ging noch hin und her, und Mr. Barwell schätzte den Abend als recht erfolgreich ein, bis er seinen Erfolg zu Hause berichtete.
    »Unmöglich!« entsetzte sich seine Frau, »das wird David, Julie und Henry das Herz brechen. Man kann ein Kind doch nicht von einer Stunde auf die andere in die Fremde jagen. Nicht mal sein Lieblingsgericht, das er in sechs Tagen zum Geburtstag bekommen hätte – die Kalbsmedaillons auf französische Art – kann ihm noch gekocht werden. Von niemandem hat er sich verabschiedet.« Und sie reihte einen Protest an den anderen.
    Ihr Mann schwieg, und als sie es schließlich merkte, sah sie die Trauer in seinen Augen.
    »Habe ich etwa nicht recht?« fragte sie trotzig.
    »Mach es uns nicht noch schwerer, Sally! Ein besseres Schiff finden wir nicht. Und es muß sein. Wir haben doch alles besprochen!«
    David war am Morgen erstaunt, als ihn sein Onkel weckte. Als der ihm erzählte, daß das Schiff heute schon ausliefe, wurde ihm plötzlich bewußt, was in den letzten Wochen eher wie ein unverbindliches Gesellschaftsspiel abgelaufen war.
    Du mußt fort, heute, gleich! Fort aus diesem Haus. Fort von den letzten Menschen, die dich lieben! Zu Fremden, in die Fremde, auf das weite Meer! hämmerten seine Gedanken auf ihn ein. Er mußte alle Kraft zusammennehmen, um nicht in Tränen auszubrechen und sich im Bett zu verkriechen.
    Der Onkel schien es zu bemerken: »Heute gebe ich dir auch den kleinen Degen für deine Paradeuniform, und du kannst deine Seekiste abschließen. Jetzt komm aber schnell zum Frühstück!«
    Alle waren am Tisch der Trauer näher als dem Spaß, aber alle bemühten sich

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