Der junge Seewolf
übers Meer zu segeln.«
Nun hatte der Onkel den willkommenen Anknüpfungspunkt, und er sprach von der Lehrzeit zur See. Die Schiffe der Ostindischen Handelskompanie, auf denen die Ausbildung einen guten Ruf habe, müsse er ausschließen, da sie Portsmouth nicht anliefen und er keine Verbindung zu den Kapitänen habe. Aber in der Königlichen Flotte, da kenne er manchen guten Mann.
In Davids Alter beginne man als ›Captain's servant‹, aber das sei keine Stellung als Diener des Kapitäns, sondern als sein Lehrling, der den Beruf eines Seeoffiziers erlerne. Man brauche Gesundheit, Kraft und Mut für diesen Beruf, der nichts für Muttersöhnchen sei. Aber die Welt stehe einem offen, und man könne Reichtum und Ruhm erwerben wie Lord Anson.
David war nicht ablehnend, aber auch nicht begeistert. Auch ihm mußte der Onkel raten, alles zu überschlafen.
Den Ausschlag gab eigentlich Bill, sein Schulfreund. Er wäre mit Begeisterung zur See gefahren, aber sein Vater bestand darauf, daß er Lehrling in der Bank werden müsse, der sein Vater vorstand. Bills Enthusiasmus besiegte schließlich Davids Lethargie. Er sah die Schiffe in ihrer Schönheit mit wieder erwachtem Interesse und teilte dem Onkel seine Entscheidung mit.
»Du wirst es nicht bereuen, David! Ich werde dir eine gute Ausrüstung und ein gutes Schiff besorgen. Und wenn du Portsmouth anläufst, ist unser Haus immer eine Heimat für dich. Wenn du morgen aus der Schule heimkehrst, gehen wir erst mal zu Bill Crowden, der die Jungen für die Marinevereinigung ausbildet. Er soll dir einige Anfangsgründe beibringen, damit du nicht ganz dumm anfängst und womöglich Bug und Heck verwechselst.«
»Aber, Onkel, ich bin doch schon mit Jollen auf der Elbe gesegelt und mit einer Brigg nach England gefahren. Und schwimmen kann ich auch!«
»Schwimmen wirst du hoffentlich nicht müssen, sondern allzeit ein gutes Schiff unter den Füßen haben. Aber schon gut, es kann ja auch nicht schaden.«
Bill Crowden erwies sich als brummiger alter Seebär, den auch die paar Schillinge, die er sich mit Davids Unterweisung verdiente, nicht freundlicher stimmten. Erst als er Davids ernsthaftes Interesse spürte und die Lernerfolge, die Davids guter Auffassungsgabe zu verdanken waren, auf sein Lehrgeschick zurückführte, wurde er etwas umgänglicher.
Da er in einem langen Leben mehr als tausend Jungen und Männer zur Seemannschaft geführt hatte, hatten seine Anweisungen Hand und Fuß. Er erklärte einiges und fügte sofort praktische Übungen an. So lernte David nicht nur Seemannsknoten, die Anfangsgründe des Reffens, sondern wußte auch etwas vom Aufbau und der Wirkung der Rahsegel.
Zuletzt gab ihm Bill noch Tips, wie Landratten an Bord verulkt und hereingelegt wurden, wenn sie zum Beispiel des Stückmeisters Tochter auf dem Vormars suchen, die Fußpferde satteln, das Kielschwein füttern oder anderen Scherzen zum Opfer fallen sollten.
Mr. Barwell war in der Zwischenzeit nicht müßig. Er besuchte den Hafenadmiral, korrespondierte mit Freunden im Marineamt, sprach mit Kapitänen.
Endlich konnte er seiner Frau berichten: »Ich habe ein gutes Schiff im Auge, die Shannon, eine Zweiunddreißig-Kanonen-Fregatte unter Kapitän Edward Brisbane. Er hat sich in der Schlacht in der Quiberon Bay als Leutnant ausgezeichnet, ist schon etwas älter und gilt als streng, aber gütig und fürsorglich. Ich kenne ihn von mehreren Geschäften her. Sein Schiff ist in Sheerness ausgelaufen und wird jeden Tag auf der Reede von Spithead erwartet. Ich werde dann sofort mit Kapitän Brisbane sprechen.«
Das war der Tante denn doch zu schnell. Der Junge hätte doch seinen Geburtstag am 27. Oktober noch bei ihnen feiern sollen. Aber die Räder des Schicksals rollten, wie Mr. Foot sagte, als er davon erfuhr. Als guter Freund war er ebenso besorgt wie Davids Onkel, daß in der Seekiste des künftigen Entdeckers nichts fehlen und alles zweckmäßig und solide sein müsse. Die Ausgehuniform mit den weißen Bundhosen und der dunkelblauen Jacke mit Goldknöpfen war längst geschneidert, weiße Strümpfe, Hemden, lange Hosen für den Alltagsdienst, eine warme Seejacke für kalte Tage, Ölzeug, alles lag bereit. Auch drei Lehrbücher über Navigation und Seemannschaft hatte der Buchhändler als die besten empfohlen. Dann endlich traf die Nachricht ein, daß die Shannon auf der Reede ankere und der Kapitän beim Hafenadmiral sei.
Kapitän Brisbane folgte Mr. Barwells Einladung zum Dinner ins ›George‹ und
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