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Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf
Autoren: Adam Frank
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den Holsteiner zu.
    »Na, willst du wieder deutsch sprechen?« fragte er den Toppgasten, der etwas verlegen lächelte. Der Blonde wies auf einen jungen Burschen, kleiner und schmächtiger als David, der neben ihm stand. »Er ist auch aus dem Dänischen, aus Schleswig. Er fuhr auf einer Bark aus Husum und ist in Harwich ausgerückt, weil der Kapitän ein Schläger und Leuteschinder war und der Erste Maat ein Bugger, ein Schwuler, der ihm nachstellte. Jetzt fährt er bei uns als Pulveräffchen für das vierte und fünfte Geschütz der Steuerbordseite. Er heißt Johann – hier nennen sie ihn John – und hält sich ein wenig an mich, weil er noch nicht gut Englisch spricht.«
    Der Junge griente: »Woher kommen Sie, Sir?«
    David erzählte von Stade, von der Fähnrichsmesse, und eine kleine Unterhaltung entspann sich. Der Toppsgast, Wilhelm oder jetzt William, schien ein netter Kerl zu sein. John gegenüber fühlte sich David unsicher. Er war nur ein Jahr älter, aber hier in der Schiffshierarchie trennte sie weitaus mehr, und John schien das auch zu spüren.
    Im Cockpit fragte David Mr. Haddington, was ein Bugger sei.
    »Wie kommst du darauf?« wollte der erst wissen. David erzählte von seinen neuen Bekannten aus Schleswig und Holstein.
    Charles Haddington nickte vor sich hin: »Bugger sind eine Eiterbeule in der Flotte. Hast du nicht auf den neunundzwanzigsten Kriegsartikel geachtet?«
    David entschuldigte sich, es seien zu viele gewesen.
    Charles meinte, er werde sie noch oft genug hören und bald im Schlaf können. Im neunundzwanzigsten Artikel werde die Todesstrafe für Homosexualität und Sodomie angedroht. Bugger seien Homosexuelle, die Geschlechtsverkehr mit Männern suchten. Sodomiten trieben es mit Tieren. Besonders die Pulveraffen seien gefährdet, denn an die ›Jungen Herren‹ trauten sich die Schwulen nicht so leicht heran. Die Pulverjungen und Offiziersburschen schliefen auch etwas abgesondert von den anderen.
    »Wenn du etwas darüber erfährst, laß es mich wissen!«
    David nickte und ging verstört in seine Ecke. Seine Welt war wieder etwas komplizierter und unharmonischer geworden.
    Der nächste Tag brachte für David einen noch stärkeren Schock. Als die Divisionen um sechs Glasen der Vormittagswache an Deck gerufen wurden, hieß es ›Antreten zur Bestrafung‹. Die Seesoldaten postierten sich mit aufgepflanztem Bajonett an der Achterdeckreling. Die Deckoffiziere standen neben dem Aufgang. Zwischen ihnen und der Mannschaft, die sich in der Schiffsmitte drängte, war ein Platz von etwa vierzehn mal achtzehn Fuß frei.
    Als Kapitän Brisbane an der Achterdeckreling erschien, führte der Profos einen Mann in den freien Raum.
    »Bootsmann!« bellte der Kapitän: »Die Anklage!«
    »Sir, Jonny Meston, Landmann, hat gestern um drei Glasen der Morgenwache den Rammer von Geschütz drei der Backbordseite heruntergerissen und auf meine Vorhaltungen geantwortet: ›Halt dein dummes Schandmaul!‹ Dann hat er vor mir an Deck gespuckt.«
    »Meston, was hast du zu sagen?«
    »Sir, er ist ein Leuteschinder und brüllt uns bei den geringsten Kleinigkeiten an. Schwachsinniger Ochse hat er mich genannt, und ich kann lesen und schreiben …«
    Der Kapitän unterbrach das Gezeter: »Und wenn du der königliche Hofpoet wärst, würde das dem Schiff in Gefahr kein Lot helfen. Hier hast du Deinen Dienst zu tun und Deine Vorgesetzten zu respektieren.«
    »Können Sie etwas zu seinen Gunsten sagen, Mr. Morsey?« fragte er den Divisionsoffizier. Der antwortete, daß es Mestons erste Reise und daß er im allgemeinen willig sei, daß ihm aber das Unterordnen noch schwerfalle.
    »Mr. Grant, lassen Sie bitte stillstehen.« Kommandos ertönten, und der Kapitän sprach mit fester Stimme: »Nach Artikel zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig der Gesetze, die sich auf das Kommando seiner Majestät Schiffe, Boote und sonstigen Seestreitkräfte beziehen, könnte Jonny Meston mit dem Tode bestraft werden. Ich will in Anbetracht seiner Unerfahrenheit noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen und bestrafe Jonny Meston nach Artikel sechsunddreißig mit zwölf Hieben. Rührt Euch! Profos, walten Sie Ihres Amtes!«
    Zwei Gehilfen packten den verschreckten Meston, schleppten ihn zur Gräting, die seitlich vor der Achterdeckreling angeriggt war, und banden seine Handgelenke seitwärts über dem Kopf fest. Um den Leib schlangen sie ein breites Lederband, um die Nieren zu schützen, und stopften ihm ein Stück Leder in den Mund, damit er im
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