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Der junge Seewolf

Titel: Der junge Seewolf
Autoren: Adam Frank
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wurde er ruhiger.
    Aber der Kummer meldete sich wieder stärker, er schluchzte in sich hinein und fühlte sich dem Todestag näher als einem Geburtstag.
    Der Sturm dauerte nicht lange. Am Morgen konnte er nur noch eine frische Brise genannt werden. David zwang sich dazu, etwas Zwieback und Käse herunterzuschlingen. Den Unterricht an Deck – Kurse eintragen, Drill an Musketen – überstand er besser als erwartet.
    Zwei Transporter waren in Sicht, die beiden anderen tauchten während der Vormittagswache am Horizont auf. Der Konvoi war wieder beisammen und segelte bei wechselnden Winden, die sie mitunter zum Kreuzen zwangen, stetig auf Kap Finisterre zu und an der spanischen und portugiesischen Küste entlang.
    Das Wetter war fast sommerlich warm geworden, und nichts stand der Routine des Konvoidienstes im Wege. Der Kapitän befahl abwechselnd Geschütz- und Segeldrill. Den ›Jungen Herren‹, soweit sie nicht als Maate eingeteilt waren, verordnete er zusätzliche Übungen. Sie mußten an einem Sechspfünder auf dem Achterdeck üben, beim Bootsdienst den kleinen Kutter bemannen, das Großmarssegel bedienen, den Umgang mit Pistolen und Musketen lernen – und immer wieder mit Holzstangen Degenfechten üben.
    Die Welt eines Kriegsschiffes verlor für David mehr und mehr an Fremdheit und damit an Schrecken. Das ging nicht ohne Schmerzen ab. Als er im Kutter mit seinem Riemen ein paarmal aus dem Takt geriet, zog ihm Mr. Morrison eins mit dem Tauende über, und ein Maat ließ ihn den ›Starter‹ kosten, als er beim Segelsetzen ein Tau verhedderte.
    Das belastete David weniger, als alle erwartet hätten, die ihn von früher kannten. Aber an Bord gehörte es zum Leben. Matthew und Richard, mit denen die Freundschaft immer enger wurde, traf es auch. Es tat weh, aber David nahm es nicht anders als die verbrannten Innenflächen der Hand, als er ein Tau unvorsichtig schnell hinuntergerutscht war, oder den geklemmten Daumen, als er den Rammer ungeschickt ins Geschützrohr gestoßen hatte.
    Er erhielt auch einen Einblick ins Leben der Schiffsaristokratie, als er zum erstenmal als Vertreter der ›Jungen Herren‹ zum Offiziersessen in die Kajüte des Kapitäns eingeladen wurde. Sogar die älteren Cockpitmitglieder halfen ihm, sich vorschriftsmäßig anzukleiden.
    Mr. Morrison, gut über dreißig Jahre alt, schlüpfte in eine väterliche Rolle, überprüfte Sauberkeit und Sitz der Kleidung und gab Ratschläge: »Nicht rülpsen, spucken, fluchen! Vorsicht mit dem Wein! Richtig den Toast auf den König ausbringen! Mund halten, bis du gefragt wirst. Blamier uns nicht!«
    Pünktlich um sieben Glasen der dog watch erschien David vor der Kapitänskajüte und wurde vom Posten hereingelassen. Er meldete sich beim Kapitän und wurde mit Händedruck begrüßt. Der Erste Offizier nickte, der Dritte Leutnant, sein Divisionsoffizier, grinste ihm freundlich zu, und der Master konnte sich nicht verkneifen: »Heute mit trockenen Hosen, junger Herr?«
    Die beiden Leutnants der Seesoldaten deuteten eine leichte Verbeugung an. Der Schiffsarzt, ein unauffälliger Mittvierziger in dunkelblauem Jackett, murmelte: »Habe gehört, Ihr Vater war Arzt. Müssen mir mal davon erzählen.«
    Als zum Sitzen aufgefordert worden war, konnte David sich erst einmal in dem Raum umschauen, der ihm nach der drangvollen Enge des Unterdecks überaus groß erschien.
    Die Kajüte erstreckte sich über die gesamte Decksbreite, und David schätzte sie an den Heckfenstern noch auf vierundzwanzig Fuß. Einige Yards davor standen an beiden Seiten zwei Zwölfpfünder, ordnungsgemäß festgezurrt und abgedeckt. Davor gingen zu beiden Seiten Türen ab, zum Schlafraum und zum Eßraum, wie David später erfuhr.
    Die Tafel in der große Kajüte war mit Geschirr gedeckt, Silberbestecke glänzten, Weingläser funkelten. An einer Seite stand ein Sideboard, das Silberschalen und einige Pokale enthielt. Wahrscheinlich war es sonst mit den Weingläsern gefüllt.
    Auf der anderen Seite befand sich der Weinkühler, ein großer bleiverglaster Mahagonischrank. Der große Schreibtisch des Kapitäns war ebenso wie ein Ledersessel zur Seite gerückt. Die Kajüte deutete auf eine bescheidene Wohlhabenheit des Kapitäns hin.
    David saß am unteren Ende der Tafel, den Schiffsarzt neben sich, den Zweiten Leutnant der Seesoldaten gegenüber. Eine klare Rindsbrühe mit Kalbfleischklößen eröffnete das Menü.
    Als die Gäste fast alle ihre Löffel niedergelegt hatten, hob der Kapitän sein
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