Der Kaiser des Abendlandes
bringen wollte.
»Salaam, du Held der Nacht«, grüßte Henri. »Haben die Kapuzengeister wieder vielen Bettlern die Almosen gerettet?«
Suleiman verbeugte sich, gähnte und antwortete: »Sean und ich waren in der Tat recht erfolgreich. Ihr könnt mit uns zufrieden sein.«
»Eigentlich ist es überflüssig, es noch zu erwähnen, aber ich werde es trotzdem tun: Uthman hat im großen Souk und vor der Moschee viel von euren Taten reden hören; alle dort sprechen über das Schwert, das den Armen hilft. Offensichtlich weiß aber niemand, wer sich dahinter verbirgt, euch hat also wohl niemand bei euren Taten beobachtet.«
»Das ist der Vorteil, wenn die Dschinn in besonders dunklen Nächten schwarz gekleidet sind.«
»Und wenn sie, so wie du, unzählige Verstecke in der Stadt kennen.« Henri lachte und schleppte die Krüge zum Vordach der Küche. Seit kapp neun Monaten waren er und Joshua Gäste in Uthmans Haus. Seit dieser es geerbt hatte, teilte er dessen Bequemlichkeit gern mit seinen Freunden, ganz so, wie es die Tradition morgenländischer Gastfreundschaft gebot. »Auf dem Dach wartet Essen auf uns.«
»Ich komme, wenn ich mich angekleidet habe«, sagte Suleiman und tauchte das Tuch ins Wasser. Er hatte keine Eile und hing, während er sich wusch und umzog, seinen Gedanken nach und jenen Überlegungen, die ihn und seine neuen Freunde betrafen. Seit dem Nachmittag, vor wenigen Monaten, an dem er mit Abdullah wieder einmal die Kunst des Schwertkampfes geübt und dem Wächter seines Vaters sein Wissen offenbart hatte, waren die Bewohner dieses Hauses nicht wieder belästigt oder gar angegriffen worden. Aber er traute dem Frieden nicht. Er kannte seinen Vater und dessen wirre Träume von großer Macht.
Er stieg die beiden Treppen zum Dach hinauf und begrüßte die Freunde, die bereits alle am Tisch saßen und einen warmen Kräuteraufguss tranken. Uthman rückte einen Hocker für Suleiman heran.
»Na, ohne Albträume geschlafen?«, erkundigte er sich knapp. »Sean hat uns schon von eurem nächtlichen Abenteuer erzählt. Aber auch andernorts verbreitet sich die Kunde von euren dunklen Unternehmungen rasch.«
»So scheint es jedes Mal zu sein, wenn wir unterwegs waren«, bekräftigte Sean. »Doch heute Nacht haben wir etwas anderes vor. So haben wir beide es ausgemacht.«
»Ich sollte mich wohl besser zu Hause sehen lassen«, sagte Suleiman. Mara füllte eine Schale und stellte sie vor ihn auf die weiße Tischplatte. Suleiman nickte dankend. »Und abends erwartet mich Mariam.«
»Dein Vater kennt sie noch immer nicht?«, fragte Uthman.
»Ich glaube, er wird bald herausgefunden haben, wer sie ist.« Suleiman schlürfte das süße Getränk und zuckte mit den Schultern. »Dieser naseweise Hasan al-Maqrizi, der Laufbursche, den mein Vater bezahlt und der von Abdullah geprügelt wird, wenn er keine Neuigkeiten bringt, verfolgt mich unermüdlich.«
»Ab und zu sehen wir ihn«, unterbrach Sean und grinste, »wenn wir nachts unterwegs sind. Aber bisher konnten wir ihn noch abhängen.«
»Krüge gehen so lange zum Brunnen, bis sie brechen. Sei vorsichtig, Suleiman«, warnte Joshua mit leiser Stimme. »Jerusalem ist eine große Stadt, aber so groß ist sie auch wieder nicht.«
Suleiman setzte die Schale ab, warf Sean einen besorgten Blick zu und vergaß vorübergehend ihre erfolgreichen nächtlichen Auftritte.
»Das ist es, was mir seit langem Kummer bereitet, bei Allah«, begann er. Er wusste, dass er den Gefährten vertrauen konnte. Das Wissen darum war während des vergangenen halben Jahres täglich gewachsen. Er richtete seinen Blick auf Joshuas schmales Gesicht. Die dunklen Augen hinter den dicken Gläsern des Brillengestells schienen ihn zu durchschauen. »Es sind drei Sorgen. Bald wird mein Vater wissen, wer Mariam ist und wo sie wohnt. Dann wird er danach trachten, uns zu trennen. Er will, dass ich eine Muslimin zur Frau nehme und dass sie ihm ein Dutzend Enkel schenkt. Wenn es so weit ist, muss ich mir etwas ausdenken – sicherlich werde ich dann eure Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Bald werde ich euch den Namen meines Vaters nennen müssen. Bisher habe ich ihn verschwiegen, denn ich bin sein Sohn und kein Verräter. Aber bisweilen höre ich, wie er noch immer von seinen Machtträumen redet, er ist besessen davon. Daher weiß ich auch, dass er nach wie vor alle Juden und Ungläubigen aus der Stadt treiben will. Und wenn es zu Kämpfen kommt, käme ihm das gerade recht, denn dann könnte er zahlreiche
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